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بسم الله الرحمن الرحيم

Der Putsch gegen Bakijew und das russisch-amerikanische Ringen in Kirgisien

Frage:

 

Am 8.4.2010 überstürzten sich die Ereignisse in Kirgisien, als Bakijew durch einen Staatsstreich gestürzt wurde und es der Opposition gelang, die Macht zu übernehmen. Bakijew flüchtete daraufhin in seinen Heimatort im Süden des Landes. Heute, am 16.4.2010, reichte er seinen Rücktritt ein und reiste in Richtung Kasachstan ab. Währendessen hatte Russland als erstes Land den Machtwechsel anerkannt und abgesegnet. So führte die Interimspremierministerin Rosa Otunbajewa am Donnerstag, den 8. 4. 2010, also noch am selben Tag, an dem die Interimsregierung das Ruder in die Hand nahm, offizielle telefonische Verhandlungen mit dem russischen Premier Putin. Dies würde bedeuten, dass Russland hinter den Vorfällen steckt. Wenn dem so ist, wie kann sich denn Russland gegen Bakijew wenden, wo es ihn doch selbst mithilfe eines Putsches gegen Askar Akajew im Jahr 2005 an die Macht brachte und dessen letzte Wahl am 23.7.2009 unterstützte? Hatte die Nichtschließung der US-Militärbasis Manas Russland so weit provoziert, dass es Bakijew zu Fall brachte?

 

Antwort:

 

Es stimmt, alle Zeichen sprechen dafür, dass Russland hinter dem Sturz Bakijews steckt, allerdings nicht, weil er die US-Basis nicht hat schließen lassen und den Pachtvertrag für die Amerikaner verlängern ließ. Schließlich zeigte sich Russland mit dem Erhalt der Basis, noch während Bakijew an der Macht war, einverstanden. Es unterstützte sogar seine Wahl am 23.7.2009, nachdem er am 15.7.2009 den Pachtvertrag für die Basis verlängert hatte. D. h. der Vertrag wurde vor seiner Wiederwahl und vor seiner Unterstützung durch die Russen erneuert. Die russische Unterstützung für seine Wiederwahl war sehr auffällig. So reiste der russische Präsident Medwedew höchstpersönlich nach Kirgisien, um den Feierlichkeiten zur Amtseinführung Bakijews am 2. 8. 2010 beizuwohnen.

 

Demzufolge hat die Pachtverlängerung die Russen nicht provoziert; vielmehr lag ihr Einverständnis vor. Selbst die gegenwärtige neue Regierung, die mit russischer Hilfe an die Macht kam, hat sich mit dem Verbleib der Basis einverstanden erklärt, wie von den Putschführern zu vernehmen war. Russland war also von vornherein mit der Pachtverlängerung einverstanden, um die USA zufriedenzustellen und sich deren Übel in dieser Region vom Hals zu halten. Zudem betrachtet es die Basis Manas als Transitstützpunkt von und nach Afghanistan, dem islamischen Land, das beiden Ländern ein Feind ist. Dieser Stützpunkt hat mit einer Tätigkeit im Inneren, was Russlands Einfluss berühren könnte, nichts zu tun.

 

Allerdings hat ein anderer Umstand die Russen provoziert und sie dazu veranlasst, ihren ehemaligen Vasallen Bakijew zu stürzen. Zum besseren Verständnis seien folgende Ereignisse erwähnt:

 

  1. Richard Holbrooke, US-Sonderbeauftragter für Afghanistan, hielt sich am 19.2.2010 zu einem Besuch in Usbekistan und Kirgisien auf, wo er sich mit den Präsidenten beider Länder traf. So veröffentlichte die Website „Russia Today" am 19.2.2010 einen Bericht von der russischen Nachrichtenagentur „Interfax", Holbrooke habe mit dem Präsidenten Kerman Beik Bakijew „die Perspektiven der bilateralen Beziehungen und die Lage in Afghanistan" besprochen. Beide hätten „abseits des Scheinwerferlichts" ihre Meinungen zur Situation in Afghanistan ausgetauscht. Weiterhin erörterten sie „Wege, um die gegenseitige Kooperation zum Nutzen beider Länder zu stärken". Ferner berichtete die Webseite, dass das Pressebüro des kirgisischen Präsidialamtes Bakijew mit der Erklärung zitierte, „sein Land" würde „der Weiterentwicklung der kirgisisch-amerikanischen Beziehungen und der Stärkung der gegenseitigen Kooperation Wichtigkeit und Priorität beimessen". Die russische Nachrichtenagentur Interfax übermittelte die Nachricht mit dem Zusatz „beide Seiten führten den Meinungsaustausch abseits des Scheinwerferlichts", mit anderen Worten im Geheimen und abseits der Blicke der Russen, damit diese nicht erfahren, welche Vereinbarungen ihr Vasall Bakijew mit den Amerikanern getroffen hat. Dies war eine kritische Andeutung seitens der Russen, dass etwas zwischen dem kirgisischen Präsidenten und den Amerikanern im Gange war.

 

  1. Am 17.3.2010 berichtete „Russia Today", dass „jüngst von den USA bekannt gegeben wurde, dass sie 5,5 Millionen Dollar bereitstellen würden, um Kirgisien bei der Errichtung eines Trainingszentrums für Antiterror-Spezialeinheiten in der Stadt Batken zu unterstützen". Auf die Frage nach diesem Zentrum antwortete Alexander Kinazow, Leiter der Bischkeker Abteilung des GUS-Instituts, „Russia Today": „Washington könnte dieses Zentrum benützen, um seine Bedürfnisse in Zentralasien zu befriedigen. Die Devise vom Kampf gegen den Terror ist dabei nichts anderes als ein Vorwand, um amerikanische Ziele zu verwirklichen, so wie im Irak und in Afghanistan." Er fügte hinzu, dass Washington mithilfe solcher Projekte in Zentralasien bestrebt ist, mit Russland und China in der Region zu konkurrieren.

 

  1. Russland war angesichts des Holbrooke-Besuchs in Kirgisien und seiner Zusammenkunft mit dem kirgisischen Präsidenten Bakijew, noch dazu „abseits des Scheinwerferlichts", sehr beunruhigt. Es befürchtete auch das Zustandekommen geheimer Abkommen zwischen beiden Seiten, dessen Krönung die Gründung eines US-Trainingszentrums für Spezialeinheiten und die Rekrutierung von Agenten unter dem Vorwand des Antiterrorkampfes war. Damit wollen die USA ihren Einfluss in Kirgisien stärken, um von dort aus in weitere Regionen vorzudringen.

 

  1. Das Abkommen zur Errichtung eines US-Zentrums zur „Ausbildung von Spezialeinheiten" oder, anders ausgedrückt, zur Heranbildung von US-Agenten in Kirgisien ließ bei den Russen die Alarmglocken läuten. Für Russland war es ein Aufbruch zur Überschreitung roter Linien. Daher beeilte sich Russland Bakijew zu stürzen, um einen Ausbau seiner Beziehungen mit den USA zu verhindern. Auch war das „Triumphgefühl" bei den Russen über den gelungenen Staatsstreich gegen Bakijew und dessen Sturz deutlich erkennbar.

 

  1. Die USA hingegen haben einen Schock erlebt. So brachte der offizielle Sprecher des US-Außenministeriums Philip Crowley „die tiefe Sorge seines Landes über die Unruhen in Kirgisien" zum Ausdruck und erklärte: „Wir gehen davon aus, dass die Regierung weiterhin im Amt ist. Die Vereinigten Staaten haben keinerlei Informationen darüber, dass die Opposition die Macht übernommen hätte." („Akhbar al-Alam" - die Weltnachrichten, am 7.4.2010) Dies deutet darauf hin, dass die USA über den Wechsel besorgt waren, die Opposition nicht unterstützten und auf Seiten Bakijews standen. Die USA ordneten die Schließung ihres Militärstützpunktes in Kirgisien für drei Tage an, öffneten ihn dann aber wieder, nachdem die kirgisische Interims-Staatschefin Rosa Otunbajewa erklärte, dass die US-Basis nicht angetastet werde und entsprechend den bereits getroffenen Vereinbarungen erhalten bleibe.

 

Die USA fügten sich der neuen Realität und erkannten indirekt die neue Regierung an, indem sie Vizeaußenminister Robert Blake als Beauftragten nach Kirgisien entsandten, um Gespräche mit der neuen Regierung zu führen. Der Abgesandte brachte daraufhin die Erleichterung der Vereinigten Staaten über die Garantieversprechungen der Interimsregierung zur Aufrechterhaltung der US-Basis Manas zum Ausdruck sowie darüber, dass sie nicht angetastet werde. Er bezeichnete dies als ausgezeichnete Neuigkeiten. Derzeit sind die USA gewillt, sich mit der neuen Realität zu arrangieren, zumal sie sich nun des Erhalts ihres Luftstützpunktes Manas sicher sind. Offenbar sind sie gegenwärtig nicht in der Lage, etwas gegen die neue Situation zu tun, da Bakijew in sein Heimatdorf in den Süden des Landes geflüchtet war, bevor er anschließend abdankte und in Richtung Kasachstan das Land verließ.

 

Und so war es für die USA unvermeidlich, sich - wenn auch nur temporär - den neuen Tatsachen zu stellen. Mit Russland wurden nun Gespräche über die aktuelle Lage in Kirgisien geführt, und der russische Vizeaußenminister Grigorij Karasin traf sich am 13.4.2010 mit dem US-Botschafter in Moskau John Byrle, um die Lage in Kirgisien zu erörtern. Beide zeigten sich nach außen hin einig und riefen dazu auf, „zu einem normalen Leben im Land zurückzukehren". Trotzdem wird sich dort das russisch-amerikanische Ringen fortsetzen, was sich in unterschiedlichen Aktionen und Formen zeigen und sich in politischen, wirtschaftlichen sowie sozialen Unruhen äußern wird.

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