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بسم الله الرحمن الرحيم

Interview mit einem Sprecher des Medienbüros von Hizb-ut-Tahrir im deutschsprachigen Raum

 

Kalifat.com: As-salamu aleykum wa rahmatullahi wa barakatuhu. Herzlich willkommen Bruder. Danke, dass du dir Zeit für dieses Interview genommen hast. Möge dich Allah (t) dafür reichlich belohnen.

Mediensprecher: Wa aleykum as-salam wa rahmatullahi wa barakatuhu. Es ist mir eine Freude hier zu sein, Bruder.

Kalifat.com: Es gibt aktuell viele Themengebiete, die relevant für die Muslime sind, jedoch wollen wir uns heute auf einige Angelegenheiten der Muslime in Westeuropa und speziell im deutschsprachigen Raum konzentrieren. Meine erste Frage in diesem Zusammenhang ist: Wie würdest du die Realität der Muslime in Europa einschätzen?

 

Es existierte mehr oder weniger ein friedliches Nebeneinander. Der erste große Einschnitt in der Beziehung zwischen den Einwanderern und den Nichtmuslimen war der Untergang des Kommunismus. Das zweite große Ereignis war zweifelsohne der 11.September. Und aktuell bahnt sich das dritte Ereignis an, das die Beziehung nachhaltig verändern könnte. Nämlich die Revolutionen in der arabischen Welt.

Kalifat.com: Wie und warum haben sich gerade diese Ereignisse auf das Zusammenleben ausgewirkt?

Mediensprecher: Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus verschwand auf einen Schlag das große Feindbild der westlichen Welt. Dem Westen war klar, dass der Kommunismus durch diesen Zusammenbruch stark an Reputation eingebüßt hat und nicht mehr in der Lage sein wird, den Kapitalismus ernsthaft herauszufordern. Der Islam hingegen erfuhr einen Aufschwung und wird seitdem in der islamischen Welt von immer mehr Menschen als alternative Lebensordnung angesehen. Dadurch geriet der Islam ins Visier des Westens und es begann eine Hetzkampagne gegen den Islam. „Moslems sind Terroristen, Fanatiker, frauenfeindlich und rückständig" hieß es in den Medien.

Am 11.September verschärfte sich die Situation und es begann der sogenannte Krieg gegen den Terror. Plötzlich standen speziell die in Europa lebenden Muslime unter Generalverdacht. In diesem Kontext entstand die Forderung, dass Muslime sich zu den westlichen Werten bekennen müssen und ihre eigene Identität restlos aufgeben sollen. Seitdem ist das Verhältnis extrem angespannt.

Wie ich bereits erwähnte, wird voraussichtlich die arabische Revolution eine neue Phase für die Muslime in Europa einläuten. Ich habe nämlich die Hoffnung, dass in diesem Prozess die Muslime die Lösung ihrer Probleme immer stärker im Islam suchen werden. Es bleibt zwar abzuwarten, inwiefern sich die Verhältnisse durch die jüngsten Ereignisse genau verschieben werden. Die letzten zwei Jahre haben aber zumindest gezeigt, dass es dem Westen nicht gelungen ist, die Identität der hier lebenden Muslime so weit zu verzerren, dass sie sich nicht durch die Ereignisse in der arabischen Welt angesprochen fühlen. Im Gegenteil!

Kalifat.com: Bruder, du hast in deinen Ausführungen von einer „restlosen Aufgabe" der islamischen Identität gesprochen. Von dieser Forderung habe ich noch nichts gehört. Was meinst du genau damit?

Mediensprecher: Damit meine ich die sogenannte Integration der Muslime in die westliche Gesellschaft! Ich bin mir sicher, dass du und jeder andere davon schon etwas gehört hat.

Kalifat.com: Kannst du genauer auf diesen Punkt eingehen?

Mediensprecher: Zu allererst ist es nötig, die Bedeutung der Integration zu klären, von der hier immer wieder gesprochen wird. Mit Integration ist nämlich nicht gemeint, dass die hier lebenden Muslime Deutsch lernen, arbeiten gehen und nicht straffällig werden sollten. Ganz und gar nicht! Bei der Integration geht es vielmehr darum, dass den Muslimen ihre Werte und ihre Vorstellung vom Leben, also im Grunde genommen ihre komplette Kultur ausgetrieben werden soll. An ihre Stelle sollen dann die ach so „modernen" westlichen Werte treten. In einer Bundestagsrede sagte Volker Kauder unverhohlen, dass Integration eben genau darin besteht. Zusätzlich verlangte er sogar von den Muslimen, dass sie sich in ihren Ursprungsländern für diese Werte stark zu machen hätten. Mit anderen Worten will Herr Kauder den deutschen Lifestyle als neuen Exportschlager in der islamischen Welt etablieren.

Kalifat.com: Würdest du sagen, dass die Integration der Muslime zum Scheitern verurteilt ist?

Mediensprecher: Sie ist schon gescheitert!

Kalifat.com: Woran liegt das?

Mediensprecher: Vor allem liegt es am miserablen Integrationsangebot. In einer Gesellschaft, in der Nietzsche Gott für tot erklärt hat, kann sich ein Muslim unmöglich integrieren. In diesem säkularen beziehungsweise laizistischen System stellt der Schöpfer keine Instanz mehr dar. Es sind Gesellschaften, in denen den Menschen die Souveränität zugesprochen wird. Der Schöpfer und seine Gebote sollen so dem menschlichen Diktat unterworfen werden. All dies steht im krassen Gegensatz zum Islam. Für Muslime ist es undenkbar, dass Gesetze von Menschenhand in der Hierarchie über den Gesetzen Allahs liegen.

Kalifat.com: Hat diese Gesellschaft denn nichts anderes zu bieten?

Mediensprecher: Was hat sie denn außer ihren technischen Errungenschaften schon zu bieten? Die kapitalistische Gesellschaft betrachtet zum Beispiel das Gesundheitssystem, das Bildungssystem und das Sozialsystem aus rein ökonomischer Perspektive. Nicht die menschlichen Bedürfnisse nach Gesundheit und Bildung sind entscheidend, sondern einzig und allein die Finanzierbarkeit und der wirtschaftliche Nutzen. Diese Prinzipien, die im Gemeinwesen Anwendung finden, üben einen starken Einfluss auf das Individuum aus. Die westlichen Gesellschaften züchten systematisch Generationen von Egoisten heran.

Kalifat.com: Wie äußert sich das im Alltagsleben?

Mediensprecher: Sittenverfall, zerrüttete Familien, Kinderlosigkeit, soziale Verwahrlosung und eine unverhältnismäßig hohe Zahl an allein erziehenden Müttern. Familien im klassischen Sinne sind inzwischen Relikte vergangener Zeiten. Das jüngste Kind dieser Entwicklung ist die sogenannte Patchwork-Familie. Alleinerziehende bilden diese Zweckgemeinschaften, um ihren Kindern die Illusion einer intakten Familie zu vermitteln. An dieser Praxis wird deutlich, dass in dieser Gesellschaft selbst Menschen austauschbar sind. Solche Strukturen mit dem Charme eines Fertiggerichts, werden niemals eine Alternative für den Muslim sein. Denn die Muslime haben hierzulande allen Verhältnissen zum Trotz ihre gesunden Familienstrukturen auch in der dritten Generation erhalten und sie werden das auch in Zukunft tun!

Grundsätzlich sind die westlichen Gesellschaften kinderfeindlich. Das äußert sich schon in der geringen Geburtenrate. Gerade auf die Welt gekommen, konkurrieren die Kinder dann in puncto Zuneigung mit Hunden oder anderen Haustieren.

Auch die extreme Sexualisierung der westlichen Gesellschaft macht die Integration den Muslimen nicht gerade schmackhaft. Prostitution, Pornographie und auch sexuelle Fehlorientierungen wie Homosexualität sind längst gesellschaftlich akzeptiert. Pädophilie und sexuelle Übergriffe auf Frauen sind nichts weiter als die logische Folge dieser verantwortungslosen Verklärung der Sexualität.

Kalifat.com: Müssen wir uns dann den Vorwurf gefallen lassen, dass wir Integrationsverweigerer sind?

Mediensprecher: Jawohl, das sind wir. Und ich sehe keinen Grund, das negativ zu sehen. Im Gegenteil! Ein Blick in die europäische Geschichte hat klar vor Augen geführt, dass es gerade die Integrationsverweigerer waren, die die Entwicklung der europäischen Gesellschaften vorangetrieben haben. Bereits im hellenistischen Griechenland waren es Denker und Philosophen wie Sokrates, die das herrschende System kritisierten und ablehnten. Oder man denke an die Entwicklung des Christentums in Europa. Die Christen waren eine verschwindend geringe Minderheit, die sich beharrlich weigerte, ihren Glauben zugunsten der antiken Götter der römischen Mehrheitsgesellschaft aufzugeben. Im Mittelalter waren es dann die Aufklärer, die sich nicht in das theokratische System integrieren ließen. Die Integrationsverweigerer in Nazideutschland werden heute als große Helden gefeiert. Übrigens sind selbst der amtierende Bundespräsident und die Bundeskanzlerin Integrationsverweigerer. Denn um es mal im Jargon des Verfassungsschutzes zu formulieren, haben sich diese beiden Herrschaften „aggressiv-kämpferisch" gegen die Werte der DDR gestellt. Was wäre das heutige Europa ohne diese ganzen Integrationsverweigerer? Ich bin mir sicher, dass auch und gerade unsere Integrationsverweigerung einen positiven Einfluss auf die Entwicklung Europas ausüben wird. Man wird sagen, dass dies die Helden waren, die sich aller Hindernissen zum Trotz gegen den Kapitalismus gestellt haben. Die zukünftigen Generationen Europas werden mit Stolz auf uns zurückblicken. Natürlich möchte ich hier betonen, dass wir uns nicht in der Tradition der europäischen Aufklärer oder Revolutionäre sehen, vielmehr geht es mir darum, deutlich zu machen, dass Integrationsverweigerung an sich kein neuartiges Phänomen ist und keiner speziellen Kulturgruppe zur Last gelegt werden sollte. Ferner muss hier unbedingt berücksichtigt werden, dass wir die angewandten Systeme in unseren Ursprungsländern ebenfalls ablehnen. Schließlich sind sie Entlehnungen des westlichen Kapitalismus und keineswegs islamische Staaten. Gerade in der islamischen Welt sind wir konsequente Integrationsverweigerer, weil wir dort eine Veränderung des Systems anstreben.

Kalifat.com: Es gibt viele unterschiedliche Vorwürfe, mit denen sich die Muslime tagtäglich konfrontiert sehen. Einer davon ist das vermeintlich inhumane Strafsystem im Islam. Meistens werden in diesem Kontext die Steinigung und das Handabhacken erwähnt. Wie gehen wir mit diesem Vorwurf um?

Mediensprecher: Ich wundere mich jedes Mal über den Vorwurf der inhumanen Strafen. Gibt es auch humane Strafen? Ist es denn etwa human, den Menschen - das sozialste aller Lebewesen - ein Leben lang in eine Zelle zu stecken? Oder ist es human, vermeintliche Straftäter zu entmündigen und mit Psychopharmaka voll zu pumpen? Die Bezeichnung der humanen Strafe ist schon ein wenig abstrus. Denn eine humane Strafe ist keine Strafe mehr, weil sie ihren Schrecken verloren hat. Das Gegenteil einer humanen Strafe wäre übrigens eine inhumane Belohnung, was genauso absurd ist. So viel zu dieser Bezeichnung.

Derjenige, der das Strafmaß zum Kriterium für die Beurteilung von Gesellschaften erhebt, hat die Relevanzkriterien dieser Thematik nicht berücksichtigt. Denn Strafmaßnahmen sind nur Mittel zum Zweck und bilden kein zirkuläres System. Man bestraft also nicht um der Strafe willen. Damit ist gemeint, dass die Existenz der Sanktionen immer mit dem Schutz bestimmter Rechtsgüter einhergeht. Viel interessanter wäre demnach die Frage, welche Rechtsgüter im Islam existieren und auf welcher Grundlage sie sich konstituiert haben.

Kalifat.com: Kannst du mir dafür Beispiele geben?

Mediensprecher: So ist zum Beispiel der Schutz des Eigentums ein Rechtsgut, welches es zu schützen gilt. Ebenso hat der Islam die Ehe beziehungsweise die Ehre als schützenswertes Rechtsgut eingestuft. Gerade die harte Bestrafung der Ehebrecher indiziert den hohen Stellenwert dieser Institution. Wir Muslime fragen uns was eigentlich aus dem sogenannten heiligen Bund der Ehe im Westen geworden ist? Die faktische Legalisierung des Ehebruchs hat letztlich dazu geführt, dass ein fundamentaler Baustein des sozialen Gefüges vor dem totalen Kollaps steht. Warum ausgerechnet der Verrat an der eigenen Ehefrau und den Kindern nicht unter Strafe steht, ist und bleibt uns Muslimen ein Rätsel.

Tatsache ist, dass der Westen den Stellenwert und die Existenz der Rechtsgüter aus opportunistischen Motiven verändert und definiert. Hier steht vor allem der vermeintliche Nutzen im Vordergrund. Für uns Muslime stellen sowohl die Rechtsgüter, als auch die Art der Bestrafung göttliche Gebote dar, die keinesfalls der menschlichen Willkür unterworfen werden dürfen. Im Grunde genommen sollte klar sein, dass der menschliche Verstand nicht dazu in der Lage ist, die obligatorischen Rechtsgüter und das korrekte Strafmaß zu definieren. Gerade in den westlichen Gesellschaften zeigen ewige Diskussionen über das richtige Strafmaß, dass es nur selten gelingt, das Rechtsempfinden des Volkes zu bedienen. Es herrscht eine immerwährende Diskrepanz zwischen den Forderungen der Menschen und dem angewandten Recht.

Kalifat.com: Ein weiterer Vorwurf, der besonders häufig im Rahmen der Integrationsdebatte angeführt wird, sind die sogenannten Ehrenmorde. Muslime seien also bereit für die Ehre über Leichen zugehen. Was sagst du zu diesem Vorwurf?

Mediensprecher: Zunächst einmal sollte klar sein, dass der Begriff des Ehrenmordes eine Erfindung der hiesigen Medien ist. Mir ist kein einziger Fall bekannt, bei dem sich der Täter so geäußert hätte. Wir sollten davon Abstand nehmen, diese Fälle zu beurteilen, denn ein Urteil über andere ist auch ein Urteil über uns selbst. Es wäre einfach nur anmaßend Urteile zu fällen, ohne die dazu notwendigen Hintergrundinformationen zu kennen. Außerdem ist niemandem außer der westlichen Propaganda damit geholfen, diese Fälle pauschal als Ehrenmorde zu deklarieren. Mit dem Vorwurf des Ehrenmordes sollten sich die Muslime somit nicht aufs Glatteis führen lassen. Denn im Grunde genommen geht es hier nicht um eine ernsthafte Debatte, sondern darum, die Angriffsfläche auf uns Muslime zu erhöhen. Dies wird durch die üblichen Berichte der Medien deutlich. Wir kennen alle die Berichterstattung der „verantwortungsvollen" Journalisten, in der muslimische Jugendliche auf Schulhöfen abgefangen und nach der Definition von Ehre befragt werden. Logischerweise gelingt es den meisten von ihnen nicht, diesen abstrakten Begriff klar zu definieren. Damit soll belegt werden, dass „muslimische Machos" bereit sind, sogar ohne klares Motiv ihre eigenen Schwestern oder Töchter zu töten. Aber was wäre wohl, wenn wir die Bundesbürger nach der Definition von Würde oder Sittlichkeit fragen würden? Diese beiden Begriffe habe ich jetzt nicht willkürlich gewählt. Die Würde taucht bereits in Artikel 1 des Grundgesetzes auf, während die Sittlichkeit in Artikel 2 erwähnt wird. Beides sind Entlehnungen aus der Kant'schen Philosophie. Ich bin mir sicher, dass selbst ausgebildete Juristen und erst recht Bundeswehrsoldaten nicht in der Lage sind, diese Begriffe auf Anhieb zu definieren. Soldaten erwähne ich deswegen, weil Deutschland ja gerade in Afghanistan Krieg führt, um angeblich die Würde der Menschen zu schützen. Wäre hier der Schluss zulässig, dass Deutschland ganze Kriege unter unklaren Motiven anzettelt? Übrigens warb die Bundeswehr unlängst mit dem Slogan: „Für die Ehre". Anscheinend ist es also die Bundeswehr, die bereit ist für die Ehre zu töten.

Kalifat.com: Ein wirklich interessanter Vergleich.

Mediensprecher: Außerdem möchte ich erwähnen, dass ich die neuentdeckte Liebe des Westens für die toten Muslimas äußerst perfide finde. Es entstehen Initiativen, Stiftungen und Denkmäler für die sogenannten „Ehrenmordopfer", während ihre lebenden Schwestern von dieser Gesellschaft geächtet und ausgegrenzt werden.

Kalifat.com: Ich würde nun gerne auf den Vorwurf eingehen, dass der Islam ungerecht sei, da er der Frau nicht dieselben Rechte zugesteht wie dem Mann.

Mediensprecher: Ist es denn etwa gerecht Ungleiche gleich zu behandeln? Tatsache ist, dass Männer und Frauen von Natur aus unterschiedlich sind. Ich denke dabei an die physiologischen und mentalen Unterschiede der Geschlechter. Sind es nicht gerade die westlichen Wissenschaftler, die bewiesen haben wollen, dass Frauen eine höhere emotionale und soziale Intelligenz aufweisen als Männer? Ebenso sollen Männer im räumlichen Denken den Frauen überlegen sein. Dass Männer und Frauen unterschiedlich sind bedarf eigentlich keiner näheren Erläuterung, denn die Unterschiede sind so erheblich, dass selbst ein Kind sie auf Anhieb erkennt. Dass der Westen es für eine Errungenschaft hält, Ungleiche mit denselben Rechten und Pflichten zu belegen, zeugt einerseits von Ignoranz und andererseits von Frauenfeindlichkeit. Denn es ist die Männerwelt, die von der sogenannten Emanzipation der Frau am meisten profitierte.

Kalifat.com: Kannst du das noch weiter ausführen, Bruder?

Mediensprecher: Die Frau muss seit der Emanzipation die doppelte Bürde tragen. Ihre Rolle als Mutter kann sie nicht ablegen wie ein Kleidungsstück. Gleichzeitig hat sie der Arbeitswelt vollständig zur Verfügung zu stehen. Eine Arbeitswelt, in der sie all zu oft schlechte Positionen besetzt und weniger verdient als ihre männlichen Kollegen. Überhaupt erhält sie nur Anerkennung für ihre beruflichen Erfolge. Eine Frau, die drei Kinder und zwei Enkel erzogen hat und ihre Eltern im Alter pflegt, hat nach den Parametern dieser Gesellschaft in ihrem Leben nichts geleistet. Hausfrau ist inzwischen ein Schimpfwort und eine Mutter, die die Erziehung nicht dem Kindergarten überlässt und sich stattdessen selbst um das Wohl ihrer Kinder kümmert, gilt als Asoziale. Dir sind sicher schon diese sogenannten Doku-Soaps auf den Privatsendern aufgefallen, in der sich zur besten Sendezeit die ganze Nation über solche Frauen und ihre kinderreichen Familien lustig macht. Diese Darstellung der Mütter als pöbelnde und zurückgebliebene Subjekte ist an Respektlosigkeit kaum noch zu überbieten. Solch eine Geringschätzung der einzigartigen Leistung der Frauen ist im Islam undenkbar. Der Muslim betrachtet die Erziehung der kommenden Generationen als ehrenvolle Aufgabe, denn dabei geht es ja um nicht weniger als die aktive Mitgestaltung der Zukunft einer ganzen Nation. In zahlreichen Aussprüchen des Propheten Muhammads (sas) wird diese herausragende Rolle der Frau immer wieder betont.

Kalifat.com: Der Westen betont jedoch immer wieder, dass es ihm gelungen ist, die Frau zu befreien und verweist dabei auf ihr Selbstbestimmungsrecht. Hat dieses neue Frauenbild ihr Dasein positiv beeinflusst?

Mediensprecher: Die niederträchtigste Form der Versklavung ist der Glaube frei zu sein. Das Selbstbestimmungsrecht der westlichen Frau bezieht sich eigentlich nur auf ihre Sexualität. Ihr wurde suggeriert, dass ihr wertvollster Besitz ihr Körper ist, über den sie frei entscheiden könne. Schon jungen Mädchen wird vorgegaukelt, dass sich ihre Selbstbestimmung darin äußert, ein ausschweifendes Sexualleben zu führen. Das natürliche Schamgefühl der Frau gilt im Westen mittlerweile als Anzeichen für mangelndes Selbstbewusstsein. Daran wird deutlich, dass auch hier die Männer die Nutznießer dieses Selbstbestimmungsrechtes sind. Denn nicht die Männer sind es, die nackt für allerlei Produkte werben müssen. Auch sind es in den meisten Fällen nicht die Männer, die auf den Kindern sitzen bleiben und sie unter schwierigen Umständen allein erziehen müssen. Selbst ungeborenes Leben wird zum Opfer der sogenannten Befreiung der Frau. Allein in Deutschland wird jährlich über 100.000 Mal abgetrieben.

Kalifat.com: Die Angriffe gegen die muslimische Frau haben in der jüngsten Vergangenheit dramatisch zugenommen. Oft wird speziell von jungen Musliminnen verlangt, ihre Kopftücher abzunehmen, da es sich dabei um ein politisches Symbol handele. Alice Schwarzer bezeichnete das Kopftuch gar als „Flagge des Islamismus". Was hältst du von diesem Argument?

Mediensprecher: In der Tat ist das Kopftuch inzwischen ein politisches Symbol. Und zwar das Symbol der Islamgegner. Kein anderer Gegenstand wird von den Islamgegnern so oft ins Visier genommen wie das Kopftuch. Es sind nicht die Muslime, die dieses Kleidungsstück zum zentralen Thema des Islams erklärt haben, sondern es sind die westlichen Medien und Regierungen, die das Kopftuch, aber auch die Minarette zu den Symbolen ihres politischen Kampfs gegen den Islam gemacht haben.

Kalifat.com: Warum ausgerechnet das Kopftuch?

Mediensprecher: Das ist natürlich kein Zufall. Das Visualisieren des Feindbildes ist ein elementarer Bestandteil des politischen Kampfes. Denn konkrete Symbole erleichtern die Wahrnehmung des vermeintlichen Problems. Das Kopftuch ist der Stoff, aus dem hierbei reine Propaganda gemacht wird. Schon die Nazis erkannten die Kraft der Symbole und ihre Wirkung auf die Massen. Sie markierten deshalb die verhassten Juden mit einem gelben Stern. Es ist wichtig zu verstehen, dass es hierbei eigentlich gar nicht um das Kopftuch geht, sondern um die islamische Identität. Gäbe es das Kopftuch im Islam nicht, so hätten sich die Islamgegner mit absoluter Sicherheit ein anderes Symbol für ihre Hetze gesucht. An dieser Stelle möchte ich an die Muslime appellieren, dem göttlichen Gebot des Kopftuchtragens, auch unter dem Druck der westlichen Propaganda gerecht zu werden. Zum einen ist das Ablegen islamrechtlich verboten und zum anderen wären wir weiterhin den Angriffen in unverminderter Härte ausgesetzt.

Kalifat.com: Du hast in deinen Ausführungen mehrmals das Wort Islamgegner benutzt. Auch die Politik und die Medien monieren, dass sich am rechten Rand eine gefährliche Kraft etabliert hat, die offen gegen den Islam hetzt. Wie gefährlich ist dieses neue Phänomen?

Mediensprecher: Dass hier ausgerechnet die Medien und die Politik diese Entwicklung kritisieren ist nicht mehr als ein armseliger Versuch, sich von der eigenen Schuld in dieser Sache freizusprechen. Schließlich sind das die Geister, die sie selbst gerufen haben. Hier dürfen Ursache und Wirkung nicht verwechselt werden. Denn dieses neue Phänomen hat sich nicht autonom entwickelt. Der sogenannte Krieg gegen den Terror war der geeignete politische Nährboden für die Entstehung der neuen Rechten. Splittergruppen wie die Pro-Bewegungen oder auch einzelne Personen wie Thilo Sarrazin sind in Wahrheit nicht mehr als Trittbrettfahrer, aufgesprungen auf den Zug, den die Bundesregierung nach dem 11. September auf die Gleise gestellt hat. Interessant ist zu beobachten, wie die Bundesregierung diese Bewegungen sogar aktiv in ihrer Funktion als Tabubrecher nutzt. Das Buch Sarrazins war in Wahrheit ein willkommenes Ereignis, um sogenannte Tabuthemen selbst aufzugreifen, unter dem Vorwand diese nicht den Rechten überlassen zu können. Auf diese Art und Weise wird offenkundiger Rassismus salonfähig gemacht. So war selbst auf dem Parteitag der SPD die Rede davon, dass Sarrazins Thesen inhaltlich durchaus relevant und richtig seien, aber es ungeschickt sei, sich in Stammtischmanier zu artikulieren. Auch aus dem Karikaturenstreit hat das Establishment direkt Profit geschlagen. Die Beleidigungen wurden genutzt, um eine Wertediskussion anzuheizen, mit dem Ziel, die Überlegenheit der eigenen Kultur zu demonstrieren.

Kalifat.com: Und die Rolle der Medien dabei?

Mediensprecher: Ich werde dir gerne ein Beispiel nennen, um es dir zu verdeutlichen. Kürzlich erschien auf den öffentlich rechtlichen Sendern ein Dokumentarfilm mit dem Titel „Pulverfass Deutschland". Dabei sollte der Eindruck vermittelt werden, dass zwei extreme Gruppen Deutschland zum Schlachtfeld ihrer Differenzen machen. Auf der einen Seite die sogenannten Jihadi-Salafisten und auf der anderen Seite die rechten Islamhasser. Diese Darstellung dient eben dazu, ein verzerrtes Bild des Konflikts zu erzeugen. Denn in dieser Schilderung werden die rechten Bewegungen zum Gegenpol des vermeintlich extremen politischen Islams gemacht. In Wahrheit sind es jedoch nicht diese rechten Gruppen, die den Krieg in Afghanistan und im Irak begonnen haben. Auch sind es nicht sie, die die säkularen Regime in der islamischen Welt stützen und ihnen selbst bei bewaffneter Niederschlagung von Aufständen bereitwillig zur Seite stehen. Du siehst, es sind also die Medien, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Krieg gegen den Terror an der Heimatfront zu vermarkten.

Kalifat.com: In letzter Zeit war zu beobachten, dass in den Medien verstärkt „säkulare Muslime" wie zum Beispiel Necla Kelek zu Wort kamen. Was hat es damit auf sich?

Mediensprecher: Gerade diese Leute sind das Paradebeispiel dafür, wie im Westen mit zweierlei Maß gemessen wird. Während antizionistische Juden hierzulande verspottet und als Nestbeschmutzer bezeichnet werden, bekommen diese Leute großzügig Sendezeit zur Verfügung gestellt, um den Westen über den Islam aufzuklären. Warum werden sie eigentlich nicht in dieselbe Schublade gesteckt wie die jüdischen Nestbeschmutzer? Wieso werden die einen verachtet, während die anderen gehuldigt werden?

Kalifat.com: Hast du zum Abschluss noch eine Botschaft, die du kundtun möchtest?

Mediensprecher: Zuallererst möchte ich noch einmal das Thema Integration aufgreifen und klarstellen, dass für ein friedliches Zusammenleben kein Werteaustausch notwendig ist. Solange beide Seiten die Verträge gegenseitiger Unversehrtheit einhalten, werden die öffentliche Ordnung und die Sicherheit Deutschlands nicht gefährdet. Darüber hinaus sind wir gerne bereit, eine sachliche Debatte über die ideologischen Differenzen zu führen. Dabei nehmen wir auch eine schonungslose Auseinandersetzung in Kauf. Jedoch erwarten wir, dass selbstverständliche Anstandsregeln eingehalten werden. Das heißt: keine Hetze, keine Beleidigungen und keine Verleumdungen. Ebenso legen wir auf die Intellektualität und Sachlichkeit großen Wert. Denn wer die Wahrheit und die Aufrichtigkeit liebt, wird ihr alle Tore öffnen und ihr keine Steine in den Weg stellen. Auch möchte ich diese Gelegenheit nutzen, um besonders an die islamische Jugend zu appellieren: Ihr seid die Zukunft dieser Ummah und tragt damit eine enorme Verantwortung. Lasst euch nicht von der westlichen Propaganda einschüchtern und entmutigen, die euch vorgaukelt, rückständig, dumm und schwach zu sein. In Wahrheit wurdet ihr von Allah (swt) mit der ehrenvollen Aufgabe betraut, die Menschheit mit Weisheit und Gerechtigkeit zu führen. Allah (swt) sagt im Qur‘an in ungefährer Bedeutung: „Wer ist besser in der Rede als derjenige, der zu Allah einlädt und sagt: „Wahrlich, ich bin einer der Muslime.""

Kalifat.com: Jazakallahu khayran, ich bedanke mich recht herzlich für das aufschlussreiche Gespräch und würde mich freuen, dich auch in Zukunft als Interviewpartner begrüßen zu dürfen. As-salamu aleykum wa rahmatullah.

Mediensprecher: Wa iyyak. Wa alaykum as-salamu wa rahmatullahi wa barakatuhu.

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