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Das Scheitern der Bildung im Westen Teil 1

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Das Scheitern der Bildung im Westen

Teil 1

Der Zweck von Bildung im Westen

Tatsache ist, wenn die moderne Welt sich so sehr mit Bildung befasst, dann nicht deswegen, weil es irgendwelche außergewöhnlichen Erkenntnisse auf diesem Feld gewonnen hat. Es ist, wie Chesterton es ausdrückte, weil der Mensch seine Orientierung verloren hat. Weder weiß er wo er steht noch wohin er geht.“ (D an I. Gallgher (eds), ‚Philosophy and Education‘ in The Education of Man, S. 41)

Westliche Bildungssysteme galten lange als der goldene Standard, an dem alle anderen Nationen sich selber gemessen haben. Hauptsächlich werden die britischen, skandinavischen, koreanischen und japanischen Systeme hoch angesehen, die jährlich Tausende von gutgebildeten und hochqualifizierten Absolventen entlassen. Doch was ist es, was diese Systeme im Vergleich zu anderen zum Inbegriff exzellenter Bildung und akademischer Leistung macht? Und wenn dies der Fall ist, warum scheitern sie?

Der erste von weiteren Artikeln dieser Reihe hat die Zielsetzung, die Triebkraft hinter der Bildung im Westen zu erklären, die die unterschiedlichen Bildungssysteme und das gegenwärtige Scheitern im Bereich der Bildung thematisieren.

Dass Bildung per Gesetz reguliert und als staatliche Angelegenheit behandelt werden sollte, kann nicht abgeleugnet werden. Doch wie der Charakter dieser öffentlichen Bildung aussehen soll und wie junge Personen Bildung erhalten sollen, sind Fragen, die berücksichtigt werden müssen. So wie die Dinge aussehen, herrscht Uneinigkeit über die Fächer. Die Menschen sind keineswegs einer Meinung über die Dinge, die gelehrt werden sollen. Gehen wir nach Werten oder nach dem besten Leben. Ebensowenig ist klar, ob Bildung sich mehr mit intellektuellem oder mit moralischem Wert befasst. Die existierende Praxis ist verwirrend. Niemand weiß, nach welchem Prinzip wir verfahren sollten. Sollte es nützlich sein für das Leben, für die Tugend oder für höheres Wissen? Alle drei Ansichten haben ihre Berechtigung.“ (Aristoteles, 350 v.Chr.)

Es muss zunächst festgehalten werden, dass westliche Institutionen nicht in der Lage sind, ein förmlich kodifiziertes bzw. stabiles Fundament, auf der die Ziele ihrer Bildungssysteme aufgebaut sind, vorzulegen. Von Philosophen werden unterschiedliche Kriterien dargestellt, die hinter dem Zweck von Bildung stecken und haben dadurch, ohne es zu wissen, eine grundsätzlich fehlerbehaftete und unheitliche Grundlage offenbart, die keine klare Route zu einer definitiven Wahrheit besitzt. Konsequenterweise entstehen Fragen, die darum kreisen, welches alternative System es gibt, das transzendentale Wahrheiten als das primäre Ziel in sich birgt. Auch geht es um eins, das als praktischer Entwicklungsplan fungiert, der den Fokus auf ein Endziel legt und nicht bloß auf die Mittel. Es ist das System, welches den moralischen mit dem intellektuellen Wert erfolgreich kombiniert und ein wahres Gedeihen des Menschen ermöglicht.

Philosophische Sichtweisen zu den Zielen von Bildung

Die gravierendste Schwäche moderner Bildung ist die Unklarheit über deren Ziel. Ein Blick in die Geschichte ruft uns ins Gedächnis, dass die wesentlichsten und effektivsten Bildungssysteme ihre Ziele eindeutig an den persönlichen Qualitäten und den jeweiligen gesellschaftlichen Situationen festmachten. Im Kontrast dazu ist das Ziel von Bildung in liberalen Demokratien erschreckend unklar.“ (Galnon, 1950)

Was Philosophen hinter dem Ziel von Bildung verstehen, ist sehr unterschiedlich. In seinem Buch Die Philosphie der Bildung hebt T.W. Moore eine Sicht hervor, die dicht angelehnt ist an dem Dilemma, das bereits Aristoteles als verwirrend betrachtet hat. Unter den Bildungsphilosophen bestehen beträchtliche Meinungsunterschiede, über das, was exakt die Aufgabe von Bildung ist oder sein sollte.

In der Chronologie sehen wir die Differenzen folgendermaßen:

Platon war der Meinung, dass der Hauptzweck von Bildung darin bestünde, diejenigen Eliten in der Gesellschaft zu produzieren, die die Position von Macht und Einfluss in der Hand haben werden.

John Locke war von der Idee überzeugt, dass der Mensch „zu neun aus zehn Teilen“ von Bildung allein geformt werde und keinerlei innere Logik oder Glauben besitze. Er war darüber hinaus überzeugt davon, dass die konstitutionelle Monarchie erhalten und verbessert werden sollte. Eine Bildung, die dies vervollständigt sei der Elite vorbehalten. Bei dem System geht es darum, selektiv unter Zuhilfenahme von Privatlehrern Bildung zu vermitteln. Ärmeren Kindern war demnach eine Vermischung mit Kindern von Edelleuten nicht möglich.

Jean-Jacques Rousseau war für weniger Einmischung und befürwortete die Idee, dass Kinder sich in „Übereinstimmung mit der Natur“ entwickeln sollten. Er setzt sich für die Sichtweise ein, bei einem Kind Natur und Freiheit in den Mittelpunkt zu stellen und in der Vermittlung von Bildung, es als Kind zu behandeln. Rousseaus Auswirkungen auf die Bildung war beispiellos und pflasterte den Weg für das englische Schulgesetz von 1944, das den Anspruch hatte, Bildung zugänglicher zu machen und sie in Stufen einzuteilen.

John Dewey ging stark davon aus, dass Bildung gar kein Ziel habe. Vielmehr sind Eltern und Lehrer diejenigen, die die Ziele haben. Er ist der Ansicht, Gesellschaft würde sich ihre eigenen Ziele formen und in der Folge sich selber, indem Bildung als Mittel benutzt wird. Vor allen Dingen glaubte Dewey, dass sie ein wichtiges Instrument für Demokratie ist und verknüpfte daher Beides miteinander.

Bertrand Russels sah Bildung als ein Prozess der Selbstentwicklung. Er versuchte, Individualismus und Sozialismus miteinander zu mischen. Wie bei Philip Stander beschrieben, waren seine Ziele folgende: „Es ist das Mittel zur Transformierung der Zivilisation und zur Demokratisierung, zur Humanisierung und zur Überwindung von empathischer Distanz unter Menschen.“

Bildungsziele im Vergleich und der ökonomische Wert

Unterschiedliche Ideologien und unterschiedliche Länder haben natürlicherweise unterschiedliche Bildungsziele. Historisch wird dies anhand von Russells Analyse zur Bildung in China und in Athen, die er in seinem Buch Über die Bildung (On Education) gibt. Verglichen wurde das, was die Freuden des Lebens, was das Anerkennen eines reichen literarischen Erbes und was die Anbetung, das durch verschiedene Rituale ausgedrückt wird, betrifft. Russel bringt den Niedergang der Griechen und den Erhalt der chinesischen Zivilisationen mit Bildung in Verbindung. Er führt die Unterschiede auf die verschiedenen Sichtweisen zurück. Die Chinesen erlebten eine Blüte, die im Grunde überlebten, da sie sich nur an schönen Künsten und Stabilität interessiert waren. Die Griechen auf de anderen Seite waren vornehmlich darauf fixiert, die Macht zu erhalten, Führungspersonen hervorzubringen und neue Länder mit solchem Eifer zu erobern, das es letztendlich zu ihrem Untergang führte. Nichtsdestotrotz, bedeutet die passive Ausrichtung der Chinesen, dass es ihnen an Fortschritt auf anderen Feldern fehlt, sodass ihr System nicht kompatibel war für unsere heutigen modernen Entwicklungen.

Chistopher Winch und John Gingell identifizierten in ihrem Buch Philosophie und Bildungspolitik drei Ziele des britischen Bildungssystems. Und zwar sind es Folgende:

1) Das Vermitteln einer standardisierten Bildung an die Arbeiter von morgen, die die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen sozio-politischen Ordnung sichern sollen.

2) Die klassische Bildung denen zugänglich zu machen, die als potentiell höher qualifiziert identifiziert werden

3) Gezielt Teile der Bildung abzukoppeln, die ausschließlich der Oberschicht vorbehalten sein sollen.

Diese Form der Bildung würde die gegenwärtige Hierarchie aufrechterhalten und die Stellung der politischen Elite im britischen Empire weiter sichern, unter Ausschluss der unteren Schicht. Diese rigide und archaische Methode der Bildung ist nicht eine, die lediglich unter autoritärer Herrschaft prosperiert, sondern ebenso in modernen Demokratien von heute. Diese Ziele der Bildung werden illustriert durch die Methoden, die das amerikanische Bildungssystem adaptiert hat, wo Studien zur Chancengleichheit die Unterschiede der Entwicklung in den Gesellschaftsklassen behandeln und ebenso wirtschaftliche Agendas aufzeigen.

Im heutigen Geschehen von Dezember 2015, stellt Dr. Aderhold, Leiter eines Hochleistungsschuldistriktes nahe Princeton, New Jersey in den USA, die Frage, ob der in Eliteschulen stark auf Leistung ausgelegte Fokus im Endeffekt nicht doch zu weit gegangen ist. Er schrieb an die Eltern, dass ein gesünderer Ansatz zu Bildung und Schule vonnöten sei. Dr. Aderholds Sicht trieb die Idee von Leistung in eine nationale Diskussionen und deckte einen Kontrast in den Bildungszielen zwischen weißen amerikanischen und asiatisch-amerikanischen Familien, die aus China, Indien und Korea stammen, auf. Erstere sollten mit einem entspannteren Ansatz herangehen, während letzteren ein Mangel an Konkurrenzdenken bescheinigt wird und eine fehlende Ausrichtung des Fokus auf Leistung, würden ihre Kinder zurückfallen und sich keinen Anteil am freien Markt sichern können. Diese Kinder hinter anderen Kindern zurückfallen und nicht in der Lage sein, sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten.

Professor Jennifer Lee von der Universität Kalifornien lokalisiert die Hauptursache dieser Spannungen und den Druck, die zwischen asiatischen und weißen Familien herrschen folgendermaßen: „Sie haben nicht die selben Chancen, ihren Kindern Berufspraktika oder an Anwaltskanzleien zu besorgen. Woran sie glauben ist, dass ihre Kinder ihre weißen Gleichaltrigen im akademischen Umfeld übertreffen müssen, sodass sie später die gleichen Chancen haben, sich zu behaupten.

Jüngere Studien zur sozialen Mobilität zwischen den Schichten, die der Think Tank LKMco hinsichtlich des britischen Arbeitsmarktes führte, stellen besorgniserregende Unterschiede im Bildungserwerb bei Schülern mit Migrationshintergrund und dem anschließenden Erfolg auf dem Arbeitsmarkt fest. Was die Studie zu Tage brachte, war, dass obwohl muslimische Frauen und Kinder ethnischer Minderheiten erfolgreich sind in schulischem Umfeld, ihr Fortschritt sich jedoch nicht im Bereich des Jobs widerspiegele. Dies verhält sich in starkem Kontrast zur Arbeitnehmerklasse der weißen Schüler, die unterdurchschnittlich erfolgreich an Schulen und Universitäten sind und trotzdem signifikant auf dem Arbeitsmarkt präsent sind.

Obwohl diese Studien und Erkenntnisse uns klar eine strukturelle Diskriminierung präsentieren, zeigen sie vor allem als wesentliches Ziel der Bildung im Westen, dass der Wert eines Schülers auf seinem späteren Erfolg auf dem Arbeitsmarkt aufbaut. Das Aufbauen der Bildung im Dienste kapitalistischen Nutzens und eine weit verbreitete strukturelle Diskriminierung haben dazu geführt, dass sich Schüler gegenseitig ausspielen, dass Rassenspannungen stärker wurden und dass Angstzustände und Depressionen bei Schülern zunehmen (2014 berichtete eine Schule, dass 120 Schülern empfohlen wurde, sich psychische Hilfe zu suchen, 40 wurden stationär behandelt). Die Rate von gemeinschaftlichen Suiziden ging in die Höhe. Erfolg wird als Gütesiegel definiert, das die Aussicht auf einen Job sichert. Unserem Verständnis nach, zielt dieses Bildungssystem darauf ab, die gegenwärtige politische Ordnung aufrechtzuerhalten und die Schüler darauf vorzubereiten, ein oberflächlich gesehen zufriedenes Leben zu führen, das mit wirtschaftlichen Gewinnen zu tun hat, während das Wohl und die Verbesserung der Gesellschaft als Ganzes außer Acht gelassen wird.

Am 9.Juli 2015 sprach Schulminister Nick Gibb auf dem Gipfel zur Bildungsreform in England, wo er sich über die Ziele und Aufgaben von Bildung äußerte. Ein Auszug aus seiner Rede stellt die Ziele innerhalb der britischen Regierung als drei Punkte dar: Wirtschaft, Kultur und die Vorbereitung auf das Erwachsenenleben. In Bezug auf Wirtschaft sagte Gibb: „Doch Bildung behandelt auch die praktische Aufgabe, zu gewährleisten, dass junge Menschen das Rüstzeug erhalten, die sie benötigen, um einen guten Job zu erlangen und Karriere zu machen…“. Er ging weiter und thematisierte das BIP-Wachstum, den Arbeitsmarkt, das Handelswachstum, das zu Arbeitsplatzbeschaffung führen soll und ebenso die Kompetenzen, die benötigt werden, um in der Arbeitswelt erfolgreich zu sein. Er fasste seine Rede zusammen und hob drei Ziele als Teil staatlicher Reformen zusammen: Drei Ziele - die Stärkung der jungen Menschen, um wirtschaftlich voranzukommen, das Partizipieren an der Kultur und vorbereitet zu sein für das Erwachsenenalter die Schule zu verlassen - haben durchweg unser Reformprogramm geleitet.“ Es kann somit bestätigt und festgehalten werden, dass Gibbs Rede sichtlich die stark kapitalistische Agenda untermauert, die die Bildungsreform stützt.

Die Bildungskluft

Was nicht zu übersehen ist, ist dass der intensive Fokus auf Erfolg in elitären, privat finanzierten Schulen unter der Maskerade von Wohltätigkeit, vorhanden ist. Der Bedarf nach Existenz einer Eliteklasse ebenso wie nach einer Arbeiterklasse, die sich relativ einfach regiert lässt, ist deutlich sichtbar in dem gegenwärtigen Bildungssystem und an den verschiedenen Schulmodellen. Privatschulen, die denen vorbehalten sind, die es sich leisten können, bieten eine Bildung, die mehr auf dem individuellen Bildungsprozess Wert legt, während staatliche Schulen mit der höheren Schülerquote im Verhältnis zur Lehrerzahl, zu kämpfen haben, wo roboterartig Wissen an die Schüler transferiert wird. John Stuart Mill schreibt 1895 in seinem Buch On Liberty: „Eine staatliche Allgemeinbildung ist lediglich eine Erfindung, um Menschen exakt gleich zu formen. Und die Form, in die man sie gießt, ist die, die der vorherrschenden Macht in der Regierung genehm ist, ob es eine Monarchie, ein Klerus, eine Aristokratie oder die Mehrheit der existierenden Generation ist. Je nachdem, wie effizient und erfolgreich Bildung ist, errichtet sie einen Despotismus über den Geist, geleitet von der natürlichen Neigung über den Körper.“

Schon die Ideen von Klasseneinteilung und von Eliteregentschaft bei Platon und Locke spiegeln sich in unseren Tagen in der gegenwärtigen Bildungsstruktur wieder. Durch die Privatschulen, durch Gymnasien, durch untragbar hohe Studiengebühren, durch unbezahlbare, beliebte Einzugsgebiete und durch einen fatalen Mangel an kulturellem Kapital, hat sich die Realität selbst enttarnt. Nur die, die es sich leisten können, sich in die obere Mittelschicht einzukaufen, sind jene, die eine geeignete Bildung erhalten, um vorwärtszukommen und die ihnen erlaubt, zu dominieren und in den relevanten Institutionen der Macht repräsentiert zu sein.

Was Bildung ist und was sie sein sollte, darüber scheiden sich heute die Geister, auch unter renommierten westlichen Philosophen, die außerstande sind, zu einer definitiven und übereinstimmenden Ansicht zu gelangen. Die Realität gibt uns nach Prüfung der Geschichte und anhand der gegenwärtigen Systeme, zu verstehen, dass es im Westen kein klares Ziel für Bildung gibt. Was wir jedoch definitiv sagen können ist, dass die jetzigen Systeme darauf ausgerichtet sind, die Macht weiterhin in die Hände einer Elite liegen zu lassen, systematisch die arbeitende Klasse zu benachteiligen, eine spirituelle Lücke in den Herzen der Menschen zu verursachen, den Wert der Menschen auf ihre wirtschaftliche Lage zu errichten und zu versuchen, die Bildung selber zu kommerzialisieren, indem man sie für die große Masse zugänglich macht, wenn dafür gezahlt wird.

„Der Zweck von Bildung ist es, Männer und Frauen fit zu machen für das Leben. Der Zweck von diesem Leben ist es, sie für Ewigkeit fit zu machen…das Leben muss immer ein faszinierendes Spiel bleiben, denn es ist ein Spiel, das für ewigen Einsatz gespielt wird.“

(B. Tucker (ed), Aims in Education: Neo Thomism in Catholic Education in a Secular Society, Sheed and Ward, 1968, S. 125)

 

Geschrieben für das Zentrale Medienbüro von Hizb-ut-Tahrir

von Reem Ahmed

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