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بسم الله الرحمن الرحيم

Die jüngsten Entwicklungen in Syrien, angefangen bei Erdogans angekündigtem Plan zum Sturm auf Ost-Euphrat bis zu Trumps Ankündigung zum Truppenabzug aus Syrien

Frage:

Abermals kündigte Erdogan eine Offensive auf die Region östlich des Euphrat an, um sie dann doch wieder zu verschieben, woraufhin erneut von einem bevorstehenden Einmarsch die Rede war usw. Schließlich eilte er nach Moskau, um in Kooperation mit Russland die künftigen Operationen zu besprechen, nachdem die Kurden in Manbij das syrische Regime um Schutz ersuchten. Mittenhinein platzte Trump mit der Ankündigung, die US-Streitkräfte aus dem Gebiet östlich des Euphrat abziehen zu wollen, was die Frage aufwirft, wer die entstehende Lücke schließen würde. Daraus ergibt sich folgende Fragestellung: Was steckt hinter dem unschlüssigen Verhalten Erdogans hinsichtlich der Invasion Ost-Euphrats? Sind diese Aktionen und Äußerungen Erdogans mit den USA abgesprochen? Wenn nicht, würde es heißen, dass es zwischen Trump und Erdogan politische Differenzen gibt? Und schließlich: Welches Motiv steckt hinter dem (angekündigten) US-Truppenabzug aus Syrien? Für meine umfangreich gestellte Frage möchte ich mich entschuldigen. Ğazāk Allāhu ḫairan.

 Antwort:

Bei näherer Betrachtung der Ereignisse, angefangen bei Erdogans Ankündigung seines Plans zum Sturm auf Ost-Euphrat über Trumps Mitteilung eines Abzugs aus Syrien bis zu den Ereignissen von heute, ergibt sich folgender Sachverhalt:

Erstens: Erdogans Politik folgt der politischen Linie der USA. Erdogan weicht keinen Millimeter von ihr ab. Die Erläuterung dazu:

1. Der US-Beauftragte für Syrien, James Jeffrey, reiste am 07. Dezember 2018 nach Ankara, wo er sich mit türkischen Offiziellen traf. Dort legte er den US-Plan der nächsten Etappe für Syrien vor, vor allem für Manbij und Idlib, und betonte, dass die Kooperation in Sachen Manbij das Modell für eine Befriedung Syriens geworden sei. Denn die „Schaffung einer endgültigen Lösung“ sei ohne „vertrauenswürdige Kooperation“ zwischen den Vereinigten Staaten und der Türkei nicht möglich. Was die Zusammenarbeit mit den bewaffneten Kurden betrifft, erklärte er: „Wir versichern immer wieder, dass unsere Arbeit mit den Demokratischen Kräften Syriens gegen den IS temporär und taktisch war.“ (RT online, 08.12.2018) Vier Tage nach diesem Besuch gab Erdogan seine neuen Pläne zur Region östlich des Euphrat bekannt. In einer vom Fernsehen übertragenen Ansprache verkündete der türkische Staatschef: „Wir werden innerhalb der nächsten Tage mit Militäroperationen beginnen, um Ost-Euphrat von Terroristen und Separatisten zu befreien.“ Er verwies dabei auf die von den YPG regierten Regionen.“ (BBC, 12.12.2018)

2. Nur Stunden nach der türkischen Ankündigung einer neuen militärischen Operation in der Region östlich des Euphrat wurden Verlautbarungen aus den USA veröffentlicht, in denen ein solches Vorgehen abgelehnt wurde und deren zentrale Quelle das Pentagon war. So machte Sean Robertson, offizieller Sprecher des Pentagon, in einer Stellungnahme deutlich, dass jede einseitige Militäraktion im Nordosten Syriens, insbesondere in einem Gebiet, in dem wahrscheinlich amerikanische Militärangehörige zugegen sind, äußerst beunruhigend sei. „Jede Handlung dieser Art ist für uns inakzeptabel“, so Robertson. (Al-Khaleej al-Jadeed, 13.12.2018) Mit diesem hauptsächlich aus dem Pentagon stammenden Widerstand und von Seiten prominenter Republikaner aus dem US-Senat stand die Türkei zwei gegensätzlichen Positionen aus Washington gegenüber. Um den endgültigen Standpunkt Washingtons abzuwarten, stellte die Türkei daher ihre Pläne zunächst auf Eis. Am 17. Dezember 2018 erklärte Erdogan, sein Land könne jederzeit eine neue Militäroperation in Syrien starten. „Wir haben offiziell bekanntgegeben, dass wir eine Militäroperation östlich des Euphrat starten werden“, erklärte er in einer Rede in der Provinz Konya im Zentrum der Türkei. „Wir haben das mit Herrn Trump diskutiert. Seine Antwort war positiv“, ergänzte er. (Reuters, 17.12.2018)

3. Am Mittwoch, dem 19. Dezember 2018, kündigte Präsident Trump unerwartet den Abzug der US-Truppen aus Syrien an. Grund sei, dass die Mission des dortigen Aufenthalts, den IS zu vertreiben, nun erfüllt sei. „Nach den historischen Siegen über Daesh ist es an der Zeit, unsere großartigen Jungs nach Hause zu holen“, erklärte er. (Sputnik, 20.12.2018) Der angekündigte Abzug ließ den Anschein erwecken, die USA würden anschließend in der Region östlich des Euphrat das Feld der Türkei überlassen. Und Erdogans Pläne wurden umgehend reaktiviert. Laut gleicher Quelle entsandte das türkische Militär Verstärkung zu seinen Einheiten im Süden des Landes, die nahe der Grenze zu Syrien stationiert waren.

4. Trumps Ankündigung zum Abzug aus Syrien löste unter Washingtons Politikern einen Sturm der Empörung aus. Prominente Mitglieder aus der republikanischen Partei sprachen sich gegen einen solchen Plan aus. Die Ankündigung führte auch zum überraschenden Rücktritt des US-Verteidigungsministers. „US-Verteidigungsminister James Mattis reichte den Rücktritt von seinem Amt ein. (…) Mattis ließ in seinem Rücktrittsschreiben deutlich durchblicken, dass es zwischen ihm und Präsident Trump politische Differenzen gab.“ (BBC, 21.12.2018) Mit Blick auf die Verlegenheit in Washington ließ Erdogan dann in einer in Istanbul gehaltenen Rede wissen: „Wir hatten in der vergangenen Woche beschlossen, eine Militäroffensive östlich des Euphrat zu starten. Wir telefonierten mit Präsident Trump und es wurden Telefongespräche mit Diplomaten und Verantwortlichen der Sicherheitsdienste geführt. Von den USA wurden Erklärungen abgegeben. Das hat uns dazu veranlasst, noch einige Zeit zu warten.“ Er verdeutlichte: „Wir haben unsere Militäroperation gegen die kurdischen Kämpfer östlich des Euphrat verschoben, bis wir am Boden die Folgen des amerikanischen Entschlusses zum Abzug aus Syrien sehen.“ (Reuters, 22.12.2018)

Nach nur zwei Tagen ist klar geworden, dass der türkische Militäreinsatz östlich des Euphrat wieder in den Wartemodus zurückgesetzt wurde. Denn diese Offensive ist abhängig davon, wie der Wind in Washington gerade weht, der den türkischen Militäreinsatz entweder nach vorne bläst oder. zum Stillstand zwingt. Das Ankündigen und Verschieben einer solchen Invasion hat mit amerikanischen Erfordernissen zu tun, wie aus Jeffreys Besuch und dem, was daraus folgte, hervorging. Mit anderen Worten: Die Türkei verfügt über keine eigene Syrien-Politik, die losgelöst ist von Washingtons Anweisungen, was die Türkei von einem Satellitenstaat fast auf die Ebene eines Vasallenstaates heruntergestuft hat. Oft hat das Regime in der Türkei die Interessen der Amerikaner stärker gewahrt als die eigenen, so wie im Falle der beiden Militäroperationen „Schutzschild Euphrat“ und „Olivenzweig“. Die roten Linien der USA blieben von der Türkei stets unangetastet, so wie in Manbij, als sie mit der Operation „Schutzschild Euphrat“ bis in Stadtnähe vorgerückt war und sich dann wieder in größere Entfernung zurückziehen musste.

Zweitens: Was das Motiv Trumps ist, die US-Truppen abzuziehen, lässt sich aus der Darlegung folgender Aspekte verdeutlichen:

1. Nach den (aus amerikanischer Sicht) enttäuschenden Interventionen sowohl in Afghanistan als auch im Irak, verteidigte der (damalige) US-Präsident Barack Obama in der Vergangenheit eine neue Form der Intervention, wonach eine Beteiligung amerikanischer Streitkräfte reduziert bzw. ganz entfallen sollte. Er setzte auf die Einbindung von Verbündeten, die ihre Soldaten für Kämpfe zur Verfügung stellen sollten. Schon zu Beginn des Syrien-Konfliktes trommelten die Amerikaner ihre Getreuen aus der Region zusammen. Dazu gehörten die Türkei, der Iran und die Länder des Golfkooperationsrates und daneben auch die Europäische Union, um ihnen einen Part bei der Niederschlagung der Revolution gegen Assad zu übertragen. Und als das nicht ausreichte, bedienten sich die USA in aller Öffentlichkeit der Hilfe Russlands, um eine diplomatische Lösung über den Weg der Genf-Abkommen herbeizuführen. Dennoch haben sich die Amerikaner militärisch nicht aus Syrien zurückgezogen.

Nachdem Trump das Präsidentenamt übernommen hatte, nahm er sich dieser Angelegenheit an, bis es am 19.12.2018 zur Bekanntgabe der Entscheidung kam, die Truppen abzuziehen. Trump rechtfertigte seine Entscheidung und meldete sich am 20.12.2018 mehrfach über den Kurznachrichtendienst Twitter zu Wort. Er löse sein Wahlversprechen von 2016 ein, sich aus Syrien zurückzuziehen. Die Vereinigten Staaten erledigten den Job anderer Staaten, darunter Russlands und des Iran, ohne nennenswerte Gegenleistung. Es sei höchste Zeit, so Trump, dass andere kämpfen. Russland, der Iran und andere seien der lokale Feind des IS. „Wir machen ihre Arbeit. Höchste Zeit für die Rückkehr in die Heimat und für den Neuaufbau.“ In einem Twitter-Eintrag, den er auf seinem offiziellen Account veröffentlichte, betonte Trump: „Geplant war ein Aufenthalt von drei Monaten in Syrien. Das war vor sieben Jahren. Wir sind nie abgezogen.“ Und er ergänzte: „Nachdem ich Präsident wurde, nahm die Grausamkeit des IS zu. Und nun ist er übelst bezwungen worden. Jetzt sind die anderen Länder wie die Türkei an der Reihe, die Überbleibsel des IS mit Leichtigkeit zu vernichten. Wir kehren wieder heim.“ (Russia Today, 22.12.2018)

Gleichzeitig dankte er Russland, dem Iran, dem syrischen Regime ebenso wie Erdogan dafür, dass sie den USA mit der Idlib-Vereinbarung von Sotschi einen großen Dienst erwiesen, als sie diese am 18.09.2018 unterzeichneten – nicht ohne daran zu erinnern, dass er das Abkommens so wollte und sie seinem Wunsch nachkamen. Trump ist sehr wohl bewusst, dass Russland, der Iran und mit ihm die Hizbollah (die Iran-treue Partei im Libanon) und dessen Milizen einerseits sowie die Türkei, Saudi-Arabien und deren Getreue aus den Reihen der Rebellengruppen andererseits bereit sind, für das gleiche Ziel zu kämpfen, für das auch die Amerikaner kämpfen. Und das besteht darin, den Sturz des Regimes zu verhindern und eine Rückkehr des Islam aufzuhalten. Darauf haben sie ihr Wort gegeben, sowohl hinter den Kulissen als auch auf öffentlicher Bühne im Rahmen der Abkommen von Genf, Astana und Sotschi, aber auch vor den Vereinten Nationen und in Form der Resolutionen des Sicherheitsrates. Dazu gehört vor allem die Resolution 2254, die von den USA eingereicht und einstimmig angenommen wurde. Alle betroffenen und auch andere Seiten fordern nun die Umsetzung der Resolution. Wir erwähnten in einer Antwort auf eine Frage vom 29.07.2018:

Auch könnte man sich auf regionale Mächte zur „Friedenssicherung“ stützen. So könnten ägyptische, saudische oder türkische Truppen zu diesem Zweck angefordert werden. Übrigens ist dieser Vorschlag nicht neu.(...) An der Vorstellung der Amerikaner, dass eine Lösung in Syrien ausländische Truppen erforderlich mache, hat sich trotz der militärischen Erfolge Baschar al-Assads nichts geändert. (…) Die Trump-Regierung plane, amerikanische Streitkräfte in Syrien durch arabische zu ersetzen, um eine gewisse Stabilität im Nordosten des Landes nach dem Sieg über den IS aufrechtzuerhalten.

Und genau das hat Trump in seinen jüngsten Äußerungen angekündigt.

2. Entsprechend seiner Geschäftsmentalität wird das Denken Trumps von Gewinn- und Verlustrechnung beherrscht: Er will die Ausgaben für die amerikanischen Truppen einsparen und die Staatskasse der USA entlasten. Dabei hatten Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate schon den Großteil der Kosten für die kurdischen Kämpfer und deren Bewaffnung übernommen und sich finanziell an den Einsätzen der internationalen Koalition beteiligt. „Das Königreich Saudi-Arabien und die Emirate sind laut Medienberichten, die von einer Unterstützung Saudi-Arabiens für die syrischen Kurden an der türkischen Grenze sprachen, in letzter Zeit zu den wichtigsten „Soft-Power-Akteuren“ in Syrien geworden. (Misr al-Arabiya, 04.12.2018) Von saudischer Seite teilte man am 14.12.2018 mit, für die Ausgaben der US-geführten internationalen Allianz eine Rechnung beglichen zu haben. So erklärte auch die Sprecherin des US-Außenministeriums Heather Nauert, Saudi-Arabien habe eine Rechnung von 100 Millionen Dollar übernommen, während die Emirate versprachen, einen Betrag von 50 Millionen Dollar für die neue Finanzierung zur Verfügung zu stellen. (Khaleej online, 17.12.2018). Und dennoch: Trump will, dass die Kosten für seine Truppen, sowie für deren Verlegung und Ausrüstung komplett übernommen werden. Diese Ausgaben bilanziert er schließlich in seinen Geschäftsbüchern als Verluste. Und daher sollen andere diese Last tragen. In seinen Erklärungen verheimlicht er das nicht, sondern spricht es offen aus. So zitiert ihn Reuters am 20.12.2018 kurz nach Ankündigung des Abzugs aus Syrien mit den Worten: „Wollen die Vereinigten Staaten die Polizei des Nahen Ostens sein und nichts anderes erreichen, als kostbare Leben zu opfern und Billionen von Dollar für die Verteidigung anderer auszugeben, die es meist nicht zu schätzen wissen, was wir leisten? Wollen wir dort ewig bleiben? Höchste Zeit, dass andere kämpfen.“ Aus all diesen Fakten geht hervor, dass, wenn es nach dem Willen Amerikas ginge, US-Kriege von anderen geführt werden sollen. Vergossen werden soll das Blut anderer und nicht das der Amerikaner. Auch das Geld soll aus den Geldhähnen anderer fließen und nicht aus denen der USA.

3. Trump möchte, dass sich die verschiedenen Seiten mit der politischen Lösung beschäftigen, und zwar so wie die USA sie haben wollen, also nicht über den militärischen Weg - zumindest nicht unter den derzeitigen Bedingungen. Und das hat Trump, als er die Großoffensive der Russen und des Regimes Richtung Idlib gestoppt hatte, in die Tat umgesetzt. Denn zuallererst wollte er die von den USA angestrebte politische Lösung in trockenen Tüchern wissen. Das hatten wir bereits in unserer Antwort auf die Frage vom 22.09.2018 ausgeführt:

Diese US-Politik ist den Russen mittlerweile bewusst geworden. Und möglicherweise haben sie erkannt, dass Amerika sie in diese Lage gebracht hat. In der Tat hat sich Russland in Syrien festgefahren und kommt ohne Amerikas Erlaubnis von dort nicht raus. Amerika hat alle Möglichkeiten der Einflussnahme in Syrien in der Hand. Daher war es den Russen nicht möglich, die Offensive, die sie zur Beendigung der Idlib-Krise auf ihre eigene Weise vorbereitet hatten, zu vollenden. Denn die Türkei war, auf Veranlassung der USA, dagegen. Und der Iran schwieg. Und so scheiterte der Iran-Gipfel vom 07.09.2018, der den Russland-Plänen zum Durchbruch verhelfen sollte, nämlich Idlib zu stürmen und die Krise nach russischer Art zu beenden. Nur wenige Tage später kam es zum Putin-Erdogan-Gipfel und anstelle der Offensive sollten nun demilitarisierte Zonen eingerichtet werden. Amerikas Segen hatten sie. Die russische Nachrichtenagentur Novosti zitierte am 18.09.2018 einen Verantwortlichen aus dem US-Außenministerium: „Wir begrüßen es und ermutigen Russland und die Türkei dazu, praktische Schritte zu ergreifen, um eine militärische Offensive der Regierung Assads und seiner Verbündeten auf die Provinz Idlib zu verhindern (…).“ Damit stoppten die Russen ihre Luftangriffe auf Idlib. Auch ihre Schiffe, die sich zu Militärübungen im Mittelmeer befanden, wurden abgezogen. Doch noch immer beschwört Russland (direkt oder indirekt über die Türkei) die Amerikaner, die Entscheidung über Idlib militärisch herbeiführen zu dürfen, bevor es an die politische Lösung geht. Die USA jedoch drängen ihrerseits auf eine politische Lösung noch vor irgendeiner militärischen Entscheidung in Idlib. Denn dann hätten sie ein Pfand in der Hand, um Russland wegen seiner Militärbasen in Syrien zu erpressen. Dafür würde man die Oppositionskräfte veranlassen, im Falle einer politischen Lösung das Thema Militärstützpunkte auf den Tisch zu bringen. Mit anderen Worten: Die türkischen Bemühungen und damit die der USA zur Verhinderung der russischen Offensive auf Idlib dienen in erster Linie den Interessen der USA. Der Türkei ging es nicht darum, das Regime am Vormarsch nach Idlib zu hindern oder die Zivilbevölkerung zu schützen. Vielmehr wird der Türkei und den USA, sobald die gewünschte amerikanische Lösung in der Realität umgesetzt worden ist und die Russen sich dieser Lösung gefügt haben, das Blut in Idlib ziemlich egal sein, sei es das Blut der Zivilisten oder Nicht-Zivilisten, in militarisierten oder entmilitarisierten Zonen. Die verschiedenen Regionen Syriens legen Zeugnis davon ab, die Verbrechen dieser Mächte eilen ihnen aus allen Gebieten voraus.“

Mit der Entscheidung zum US-Truppenabzug treibt Trump die verschiedenen Seiten immer weiter in Richtung des Ziels, das er anstrebt. Er hat die Türkei hinters Licht geführt, als er ihr vorgaukelte, sie werde das Vakuum ausfüllen, das die Amerikaner nach dem Abzug hinterlassen würden. Er versetzte die Kurden angesichts der Drohungen Erdogans in Angst und Schrecken, worauf sie sich eiligst an das syrische Regime wandten und dessen Schutz suchten; und dieses hatte nur darauf gewartet. Vor dem Hintergrund türkischer Drohungen gegen die Kurden marschierte nun das Regime mit seinen Truppen Richtung Manbij los. Da Russland aber das Regime unterstützt und sich gleichzeitig mit der Türkei einig ist, wäre es für die Türkei zu heikel, den Kampf gegen das Regime in Manbij zu führen - es sei denn, es ergäben sich neue Konstellationen in der Region. Trump hat somit dafür gesorgt, dass die verschiedenen Parteien keinen anderen Ausweg mehr sahen, als damit zu beginnen, Gespräche über eine Lösung zu führen, und zwar so, wie Amerika sie haben will. Und so haben einigeSeiten mit offenen, andere mit geheimen Gesprächen begonnen:

a) Die Sprecherin des russischen Außenministeriums stellte klar, dass Washingtons Entschluss zum Truppenabzug aus Syrien zu einer umfassenden Lösung des Problems beitragen muss. Sie verwies außerdem darauf, dass es keine Klarheit über den Zeitplan des Abzugs aus Syrien gebe. (Sputnik Arabi, 26.12.2018)

b) Laut der Online-Zeitung „al-Mudun“ wurde von Quellen versichert, dass die vor zwei Tagen angekündigte Offensive, Manbij unter Kontrolle zu bringen, auf türkisches Verlangen vorerst gestoppt wurde. Sie wurde mit dem Ziel weiterer Verhandlungen aufgeschoben, die die Türkei sowohl mit Russland als auch mit den USA führen wolle. (Al-Mudun, 27.12.2018)

Damit war es Trump gelungen, das Engagement der verschiedenen Seiten auf eine Lösung (für die er mit seiner Ankündigung zum Truppenabzug den Boden bereiten wollte) hinzudirigieren. Denn den Konfliktparteien steht keine andere Lösung für die Syrien-Krise zur Wahl als die Pläne der USA.

4. Darüber hinaus spielt ein entscheidender Faktor eine wichtige Rolle in Trumps Überlegungen, nämlich die nächsten Wahlen. Denn Trump ist vor Langem persönlich dafür eingetreten, keine extern geführten Kriege mehr führen zu wollen, ganz nach seinem Wahlmotto „America first“ („Amerika zuerst“), das ihm dazu verholfen hat, die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen. Aus einem Truppenabzug sowohl aus Syrien als auch aus Afghanistan würde er mit Blick auf die nächsten Wahlen 2020 persönlich profitieren. Daher hat er ein starkes Interesse daran, die 2000 US-Soldaten aus Syrien (The Guardian, 19.12.2018) und 7000 aus Afghanistan (NPR, 21.12.2018) zurückzuholen. Seine Popularität würde unter der amerikanischen Bevölkerung allgemein steigen und es könnte ihm für eine Wiederwahl 2020 zugute kommen.

Drittens: Trump hat seinen Vasallen und Getreuen mit seiner Entscheidung, die US-Truppen abzuziehen, immense Kopfschmerzen bereitet, noch bevor diese allmählich zur Umsetzung kommt. Sie könnte viele Monate in Anspruch nehmen, wenn sie überhaupt ganz vollzogen wird. Betrachtet man sowohl zurückliegende als auch gegenwärtige Ereignisse genauer, wird offensichtlich, dass Trump seinen Vasallen und Gefolgsleuten nicht die geringste Bedeutung beimisst. Und wenn sie nur einen Funken Verstand besäßen, so hätten sie ihm längst den Rücken gekehrt. Doch den besitzen sie nicht. So benutzt er sie stets zur Durchsetzung seiner Pläne - auf erniedrigende und hinterlistige Art. Selbst Russland und Europa sind nicht davor gefeit:

1. Die Kurden, willfährige Handlanger der USA, verfielen dem Glauben, dass sie, weil die Amerikaner sie ausbildeten und bewaffneten, sich vom syrischen Staat lossagen und einen eigenen Staat errichten können, welcher dann unter US-Schutz stehen würde. Um des versprochenen Staates willen führten sie aus, was die USA von ihnen verlangten! In jedem Kampf, den die Amerikaner wollten, standen sie daher stets an vorderster Front. Ashton Carter, damaliger US-Verteidigungsminister, lobte die Demokratischen Kräfte Syriens (DKS), einem von den USA organisierten Dachbündnis kurdischer Verbände mit den Worten: „Sie haben bewiesen, dass sie bei der Bekämpfung des IS am Boden hervorragende Partner für uns sind. Wir sind ihnen dankbar dafür und wollen, dass es so weiterläuft. Und wir erkennen die Komplexität ihrer Rolle in der Region an.“ (The Hurriyet Daily News, 18.03.2016) Die Kurden gingen somit davon aus, dass die USA sie weiterhin sowohl heimlich als auch offen unterstützen würde. Die Worte Jeffreys, des US-Sondergesandten für Syrien, haben sie offensichtlich nicht aufhorchen lassen, als er sich zur Kooperation mit den bewaffneten Kurden folgendermaßen äußerte: „Wir sagen es immer wieder. Unser Vorgehen mit den Demokratischen Kräften Syriens gegen den IS ist vorübergehend und taktisch.“ (RT online, 08.12.2018). Mehr noch: Die Kurden klammerten sich an ihr Vasallendasein und machten es den Amerikanern nur allzu leicht, sie als Werkzeug zu missbrauchen.

Die Amerikaner ihrerseits nehmen die Dienste der Kurden gern in Anspruch - für eigene, nicht für kurdische Interessen. Nachdem es amerikanische Interessen nötig machten, sich zum Abzug aus Syrien zu entschließen und die Kurden schutzlos zurückzulassen, scherten sich die Amerikaner nicht im Geringsten um kurdische Interessen. Das wiederum hat die Kurden in die Arme des Regimes getrieben, was von den USA durchaus gewünscht war, damit das Regime auf Bitten der Kurden wieder in den Norden Syriens zurückkehrt! „Die Führer der Kurden, die den Großteil Nordsyriens unter ihrer Kontrolle hatten und durch die Abzugspläne der USA aus der Region beunruhigt waren, drängten Russland und seinen Verbündeten aus Damaskus dazu, Truppen zum Schutz der Grenzen vor einem türkischen Eindringen zu entsenden. (…) Der Appell der Kurden an die syrische Regierung, zu den Grenzen, die jahrelang der Verwaltung bewaffneter Kurden unterstanden, zurückzukehren, offenbart die Dimension ihrer Krise, nachdem Trump überraschend einen Truppenabzug ankündigte.“ (Sputnik Arabi, 27.12.2018) Für die Demokratischen Kräfte Syriens war der plötzliche Entschluss zum Abzug der US-Truppen „ein Dolchstoß in den Rücken und ein Verrat an dem Blut tausender Kämpfer“, wie es in einer ersten Stellungnahme am Mittwoch hieß. Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete unter Berufung auf Quellen, die sie als vertrauenswürdig einstufte, dass Führungspersonen im Verband der Demokratischen Kräfte Syriens den Abzug der amerikanischen Truppen, sollte er tatsächlich stattfinden, als Dolchstoß in den Rücken der Demokratischen Kräfte Syriens und der kurdischen Volksverteidigungseinheiten betrachteten.“ Diese hatten in den vergangenen Jahren und Monaten das größte vom IS beherrschte Territorium unter ihre Kontrolle gebracht. Es handelt sich um die Region östlich des Euphrat zusammen mit Manbij. (Tahrir News , 19.12.2018)

2. Auch die Türkei ist in Verlegenheit geraten. Sie hatte angenommen, dass der Abzug der Amerikaner sie in die Position bringen würde, dieses Vakuum auszufüllen, zumal die Entscheidung, die US-Truppen abzuziehen nach einem Telefonat Trumps mit Erdogan bekanntgegeben wurde. Russia Today berichtete am 19.12.2018: „Ein US-Offizieller enthüllte, dass der Entschluss des US-Präsidenten Trump zum US-Abzug aus Syrien einem Gespräch mit seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan folgte. Der US-Verantwortliche betonte am heutigen Mittwoch in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters, dass die Entscheidung nach einem Telefonat zwischen Trump und Erdogan gefallen sei, welches dieser am Freitag geführt hatte. Die gleiche Quelle machte auch deutlich, dass „alles, was danach geschah, gemäß der Vereinbarung lief, die innerhalb dieses Telefongesprächs getroffen wurde.“ In Bezug auf das Telefonat zwischen Erdogan und Trump zitierte die türkische Nachrichtenagentur „Anadolu“ am 21.12.2018 Erdogan: „Trump fragte uns: Seid ihr in der Lage, den IS auszumerzen?“ Erdogan antwortete: „Wir haben sie ausgemerzt und wir sind imstande, das auch künftig zu tun. Es reicht, wenn ihr uns die nötige Hilfe auf logistischer Ebene leistet. Am Ende haben die Amerikaner begonnen, sich zurückzuziehen. Jetzt ist unser Ziel, unsere diplomatischen Beziehungen zu ihnen auf gesunde Weise aufrechtzuerhalten.“ Und so ist die Türkei davon ausgegangen, dass sie das Vakuum ausfüllen würde. Was jedoch passierte, war, dass das Regime aus Damaskus auf Ersuchen der Kurden hin in die Stadt Manbij einrückte. „Rund 1000 Kräfte des syrischen Regimes haben sich mit Panzern und schwerem Gerät am Grenzübergang at-Tayha versammelt. Rund 40 Soldaten des Regimes sind in das Dorf Ilyani im Nordosten von al-Arima eingerückt.“ (…) (Al-Mudun, 27.12.2018)

Am 29.12.2018 begab sich eine aus dem Verteidigungsminister, dem Außenminister und dem Stabschef bestehende Delegation aus der Türkei nach Moskau, um den Sachverhalt zu erörtern. Allerdings stellten die Äußerungen einiger russischer Offizieller aus türkischer Sicht eine Provokation dar. Die Pressesprecherin des russischen Außenministeriums Marija Sacharowa stellte am Mittwoch, den 27. Dezember, klar: „Territorien, die künftig von den amerikanischen Truppen verlassen werden, müssen der Kontrolle syrischer Behörden unterstellt werden.“ Sie fuhr fort: „Hier entsteht eine prinzipielle Frage: „Wem wird die Kontrolle über die von den Amerikanern zurückgelassenen Territorien übergeben? Es liegt nahe, dass das nach internationalem Recht die Regierung Syriens sein sollte (…).“ Sacharowa hob hervor: „Wir stimmen unsere Ansichten und die Umsetzung einer konkreten Politik in Syrien eng mit unseren türkischen Kollegen ab, sowohl in der Außenpolitik als auch bei militärischen Anti-Terror-Operationen“ (Al-Mudun, 27.12.2018) Der prominente republikanische Senator Lindsey Graham teilte mit, dass Trump sicherstellen werde, dass es nach dem US-Truppenabzug aus Syrien zu keinen Auseinandersetzungen zwischen der Türkei und den YPG-Kämpfern kommt. Dem Nato-Partnerland Türkei versicherte er, eine Pufferzone in der Region zu errichten, um türkische Interessen zu schützen. Der türkische Staat betrachtet die YPG als einen Ableger der Organisation PKK, die in der Region aktiv ist. (Arabi Post, 31.12.2918)

Darüber hinaus hat die russische Armee die Arbeit des „Russischen Koordinationszentrums für die Versöhnung der Konfliktparteien in Syrien“ im Ort al-Arima in der Provinz Manbij wieder aufgenommen, nachdem sie sich von dort zurückgezogen hatte. (Al-Mudun, 27.12.2018) Das alles waren und sind Barrieren für die Türkei, die hofft, das entstehende Vakuum füllen zu können.

3. Und selbst Russland, das ein relativ mächtiger Staat ist, lässt sich von den USA von einer Krise in die nächste zerren. Den Russen ist bewusst, dass sie in die Falle Syriens hineingetappt sind, als sie nach einem Treffen, das zwischen Obama und Putin am 29.09.2015 stattfand, in dem Land militärisch interveniert haben. Putin seinerseits hatte auf eine Aufhebung der nach der Krim-Annexion verhängten Sanktionen gehofft. Doch das ist nicht geschehen. Schließlich wollten die Russen eine militärische Entscheidung hinsichtlich der Idlib-Frage herbeiführen, um sich der syrischen Last zu entledigen und aus diesem Debakel herauszukommen. Eine politische Lösung hätte sich dann weit in die Länge ziehen können, was die Russen nicht gekümmert hätte, solange sie von der Bürde militärischer Aktionen befreit gewesen wären. Doch die Amerikaner, die zuallererst eine politische Lösung wollten, wussten das zu verhindern. Auch das legten wir in unserer oben erwähnten Antwort auf eine Frage vom 22.09.2018 dar: Damit stoppten die Russen ihre Luftangriffe auf Idlib. Auch ihre Schiffe, die sich zu Militärübungen im Mittelmeer befanden, zogen sie wieder ab. Doch noch immer beschwören die Russen (direkt oder indirekt über die Türkei) die Amerikaner, die Entscheidung über Idlib militärisch herbeiführen zu dürfen, bevor es an die politische Lösung geht. Die USA jedoch dringen ihrerseits auf die politische Lösung, noch vor irgendeiner militärischen Entscheidung in Idlib. Denn dann hätten sie ein Pfand in der Hand, um Russland wegen seiner Militärbasen in Syrien zu erpressen. Dafür würde man die Oppositionskräfte veranlassen, im Falle der politischen Lösung das Thema Militärstützpunkte auf den Tisch zu bringen.

 Die Entscheidung Trumps zum Abzug verschlimmerte das Ganze noch. Russland geriet in Manbij und in den übrigen kurdischen Gebieten östlich des Euphrat zwischen die Fronten des Regimes und der Türkei. Auf der einen Seite stützt Russland das syrische Regime. Auf der anderen Seite gibt es die türkisch-russischen Vereinbarungen. Gleichzeitig rücken sowohl türkische als auch syrische Truppen immer näher und Russland ist mittendrin. Das würde Russland wiederum in eine Zwickmühle bringen, sollten Kämpfe ausbrechen. Und so treibt Amerika die Russen von einer brenzligen Lage in die nächste.

4. Was die Europäer betrifft, von denen sich einige der internationalen Allianz angeschlossen hatten, so würde ein Abzug Amerikas auch sie in Bedrängnis bringen. Alleine dort zu bleiben, wäre für sie nicht möglich. Sie hätten es gerne gesehen, dass Amerika weiter in Syrien bleibt und sich dort abstrampelt, und nicht, dass die Amerikaner ihnen aus sicherer Entfernung zusehen. Daher kritisierten sie den Entschluss zum Abzug und prangerten ihn an. Der Sprecher der britischen Premierministerin erklärte: „Die internationale Anti-IS-Allianz hat große Fortschritte gemacht. Doch es gibt noch viel zu tun. Wir dürfen die Gefahr, die der IS auch ohne Territorium darstellt, nicht unterschätzen. Er ist noch immer eine Bedrohung. (Euronews, 19.12.2018) Diese Äußerung entkräftet das Argument Trumps, das er als Rechtfertigung für den Abzug vorgebracht hatte. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron kritisierte die Entscheidung Trumps, die US-Soldaten aus Syrien abzuziehen und monierte, dass „ein Bündnispartner vertrauenswürdig sein muss“. Aus der Hauptstadt Tschads N'Djamena teilte er mit, dass er großes Bedauern verspüre, angesichts des Entschlusses, den Trump in Bezug auf Syrien gefasst hat. „Ein Verbündeter zu sein, heißt, Seite an Seite zu kämpfen“, so Macron. Das tue Frankreich mit dem Tschad im Kampf gegen die bewaffneten Jihadisten-Gruppen. (BBC, 23.12.2018)

Viertens: Es schmerzt, dass die kolonialistischen Ungläubigen über unsere Angelegenheiten bestimmen. Sie treffen die Entscheidungen und die Regenten der islamischen Länder führen sie aus, ohne sich vor Allah, dem Erhabenen und Weisen, und vor dem Gesandten (s) zu schämen. Immer wenn ihnen die Wahrheit aufgezeigt wird, wenden sie sich von ihr ab, aus Gefälligkeit ihren Herren gegenüber, damit diese sie in ihren Ämtern belassen. Sie schauen nicht darauf, was ihresgleichen passiert ist: Nachdem sie ihren Part erfüllt hatten, wurden sie von ihren Herren entsorgt. Sie haben sich ihr eigenes Verderben geschaffen, im Diesseits wie im Jenseits, denn sie haben sich von der Wahrheit, die ihnen gezeigt wurde, entfernt:

﴿وَهُمْ يَنْهَوْنَ عَنْهُ وَيَنْأَوْنَ عَنْهُ وَإِنْ يُهْلِكُونَ إِلَّا أَنْفُسَهُمْ وَمَا يَشْعُرُونَ

Sie verbieten es anderen und halten sich selbst davon fern. Jedoch stürzen sie sich (damit) nur selbst ins Verderben; allein, sie begreifen es nicht.“(6:26)

Und so werden sie ihr Diesseits als auch ihr Jenseits verlieren, und das ist wahrlich der offenkundige Verlust.

23. Rabīʿ al-Āḫir 1440 n. H.

30. 12. 2018 n. Chr.

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