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بسم الله الرحمن الرحيم

Die Neo-Osmanen…Tatsache oder Illusion?

Geschrieben von Ustadh Hamad Tabib – Jerusalem

Mehr als einmal und zu verschiedenen Anlässen haben türkische Politiker die Bezeichnungen „neue Osmanen“ und „Enkel der Osmanen“ verwendet, zuletzt in der türkischen Präsidentschaftswahl vom 24. Juni 2018. Erdogan verwendete in der Wahlkampagne mehr als einmal die Aussagen „Wir sind die neuen Osmanen…wir sind die Enkel der Osmanen.“ Die türkische Regierung sowie ihre Unterstützer im Inneren und im Ausland führten in den letzten Jahren mehrfach und zu verschiedenen Anlässen Slogans und Aussagen an, die mit der osmanischen Geschichte in Verbindung stehen. Beispielhaft dafür, aber nicht erschöpfend, war Erdogans Drohung gegen die USA vom 14.02.2018 wegen der amerikanischen Unterstützung für die Kurdenpartei PKK, in der er sagte: „Die Türkei besitzt die berüchtigte osmanische Schlagkraft!“ In seiner Rede vor der Parlamentsfraktion der AKP sagte Erdogan in Bezug auf die Aggression des Judengebildes gegen Gaza vom 10.01.2009: „Tel Aviv muss wissen, dass er (Erdogan) nicht der Führer einer gewöhnlichen Nation ist, sondern der Führer der Enkel der Osmanen.“ Anfang Februar 2018, als die Operation „Olivenzweig“ zur Befreiung Afrins von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) begann, sagte Erdogan: „Wir sind die Enkel der Osmanen und wir werden den Terroristen und allen, die hinter ihnen stehen, einen kräftigen Schlag versetzen…“ Wie verhält es sich wirklich mit dem Osmanentum, das Erdogan beschwört und von dem er ständig spricht? Handelt es sich dabei um eine Realität oder Illusion?

Wenn von „Osmanentum“ oder „den Osmanen“ die Rede ist, so bezeichnen diese Begriffe das Osmanische Kalifat. Sie stehen nicht für Nationalismus, Rassegedanken oder engen Regionalismus. Die Historiker berichten vom Osmanischen Kalifat, seiner Geschichte und seinem Handeln. Wenn sie aber das Osmanentum als Rasse oder Ursprung der Osmanen-Dynastie meinen, so machen sie dies in ihren Ausführungen deutlich. Etwa zeigen sie die Siedlungsgebiete und den Ursprung der osmanischen Türken auf, die auf den Stamm der Turkmenen aus Turkmenistan in Zentralasien zurückgehen. Der Ursprung der Bezeichnung als „Osmanen“ geht auf den Staatsgründer Osman Bin Ertugrul zurück. Wenn die Osmanen erwähnt werden, wird meistens auch das Osmanische Kalifat erwähnt. Einige Voreingenommene unter den westlichen Autoren oder jene, die unter dem Einfluss westlicher Kultur stehen, bezeichnen das Osmanische Kalifat als „Osmanisches Reich“. Der Begriff der „neuen Osmanen“ aber, wie ihn türkische oder andere Politiker dieser Tage verwenden, findet sich erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, als den islamischen Werten und dem Osmanischen Kalifat der Krieg erklärt wurde – unter dem Vorwand der Reform und Öffnung für die westliche Kultur. Zu den Vertretern dieser Idee gehörten Mustafa Rashid Pascha und Ali Pascha. Sie beide waren Verfechter des westlichen Aufstiegs, der Freiheit und der Öffnung für die westliche Kultur.

Es ist bekannt, dass das Osmanische Kalifat den Islam in allen Lebensbereichen umsetzte und kein anderes als das islamische System adoptierte – trotz einiger Unzulänglichkeiten in seiner Spätzeit. Das Osmanische Kalifat vereinte alle Völker unter seinen Flügeln, von Indien bis zum Maghreb und von Zentralasien bis nach Zentralafrika. Das Osmanische Kalifat galt nicht nur den osmanischen Türken und es differenzierte als Staat nicht zwischen Arabern, Nicht-Arabern und Türken, nicht einmal zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen unter seiner Bevölkerung. Erst in den letzten Tagen des Osmanischen Kalifats kam es in dieser Angelegenheit zu Unzulänglichkeiten, als es von einigen Aspekten abließ und sie durch westliche Systeme ersetzte. Als der Staat zerstört wurde, ließ er dann von all diesen Aspekten ab und wechselte die Systeme vollständig aus. Auch bemühte sich der Osmanische Staat um den Erhalt aller Länder der Muslime. Von keinem dieser Länder ließ es im Angesicht der Angriffe der Kuffar freiwillig ab. Dies bezeugen die Kriege des Osmanischen Staates auf dem Balkan und in Zentralasien, die er bis in seine Spätzeit führte. Auch die Begebenheit zwischen Sultan Abdul-Hamid II und dem zionistischen Herzl bezüglich Palästina legt hierfür Zeugnis ab.

Wenn wir nun das Vorgehen der türkischen Politiker, allen voran Erdogan, mit jenem des Osmanischen Kalifats vergleichen, so stellen wir fest, dass es sich vom Vorgehen des Osmanischen Kalifats in Grundlagen und Details unterscheidet! Die Politiker in der Türkei bekämpfen den Islam und haben sich von der Idee des Kalifats vollständig abgeschnitten. Erdogan hat dies mehr als einmal deutlich gemacht. In einem Fernsehinterview vom 26. Juli 2016 mit dem deutschen Sender ARD sagte er: „Wir bekämpfen den Terrorismus seit 30 oder 35 Jahren. Ein großer Teil dieser Terroristen lebt in Deutschland, das ihnen große Unterstützung zukommen lässt.“ Die Politiker in der Türkei streben weder nach der Rückkehr des Kalifats, noch nach der Umsetzung der Gesetze des Islam. In einem Interview vom 17.02.2017 mit dem Sender Al-Arabiya As-Saudiya sagte Erdogan: „Die Türkei will absolut kein Kalifat werden.“ Die türkischen Politiker haben mehr als einmal klargemacht, dass sie keine Umsetzung des Islam anstreben und keine Abkehr vom Laizismus des Staates anstreben. Vielmehr forderten sie auch von anderen die Ausrichtung am türkischen Modell des Laizismus: „Der türkische Ministerpräsident Recep Tayip Erdogan hielt die Ägypter in einem Interview vom 13.09.2011 mit dem ägyptischen Sender Dream dazu an, Ägypten eine Verfassung auf den Prinzipien des Säkularismus zu geben. Denn die Türkei stelle ein Vorbild für einen ausgewogenen säkularen Staat dar.“

In Bezug auf Palästina, so hielten Erdogan und sein Hofstaat von türkischen Politikern im Mai 2018 einen islamischen Kongress zum Thema Palästina und Jerusalem in Istanbul ab. Der Kongress gab Beschlüsse heraus, die entsprechend der internationalen Beschlüsse zur Errichtung eines Palästinenserstaates mit der Hauptstadt Ost-Jerusalem und der expliziten Anerkennung des Judengebildes aufrufen. Die Politiker in der Türkei unterhalten Beziehungen mit dem Judengebilde: diplomatische und Handelsbeziehungen, sowie Beziehungen zur Weiterentwicklung gemeinsamer Militärproduktion. Auch halten sie auf türkischem Boden Militärübungen an den entwickelten Waffen ab. Sogar die Eröffnung einer Botschaft in der Türkei haben die türkischen Politiker dem Judengebilde erlaubt. Als die Juden 2010 das Marmara-Schiff attackierten, das mit humanitärer Hilfe Gaza anpeilte und dabei einige türkische Muslime töteten, kam die Antwort nicht in Form der Mobilisierung des türkischen Militärs. Nein, die Antwort erfolgte in Form der Entgegennahme von Entschädigungen und der Annahme der Entschuldigung der Juden! Am 23.06.2017 versicherte der türkische Finanzminister sogar noch einmal, dass das Judengebilde private Entschädigungen an die Familien der Opfer des Marmara-Schiffes geleistet hat.

Auf der einen Seite stehen somit die Ausprägungen der Erhabenheit, Macht und Glorie des Osmanischen Kalifats. Demgegenüber stehen die Ausprägungen der Demütigung, Erniedrigung und des Anflehens der Kuffar, damit sie die Türkei unter demütigenden Bedingungen in ihren ungläubigen Verbund der Europäischen Union aufnehmen. Auch steht auf der einen Seite die Demonstration von Ehre und Stärke des Osmanischen Staates gegen die jüdischen Unterdrücker und ihre Gier auf Palästina. Dem gegenüber stehen Lossagung von Palästina und dem palästinensischen Volk sowie Unterwerfung unter die jüdische Politik und ihre Gier nach Palästina durch die Türkei und Erdogan!

Bevor wir enden, wollen wir deutlich machen, dass man sein Urteil über Politiker und politische Parteien nicht anhand von Wahlergebnissen, vorhandener oder fehlender Akzeptanz im Volk, schillernder Slogans wie „Arabischer Nationalismus“, Patriotismus oder sogar anhand islamischer Slogans fällt, die frei von islamischen Inhalten oder den Vorgaben der islamischen Überzeugung und Gesetzgebung sind. Anfang der fünfziger Jahre hielt Jamal Abdel Nasser das Motto des arabischen Nationalismus und der arabischen Einheit hoch und sprach von der vollständigen Befreiung Palästinas. Dabei war er der erste, der die Umsetzung des „Jahrhundertschlags“ in Form der Absprachen mit den Juden forderte und 1953 in Gaza 30 Märtyrer töten ließ, weil sie das Projekt ablehnten. Danach kehrte er Palästina den Rücken und entsendete seine Truppen zum Kampf in den Jemen! Auch die Führer der palästinensischen Befreiungsbewegung trugen das Motto der vollständigen Befreiung Palästinas vor sich her, ohne auch nur von einem Staubkorn palästinensischer Erde abzulassen – so steht es in ihrem Manifest von Anfang 1968. Dennoch hat sich die Bewegung von all dem abgekehrt und fordert nun die Anwendung des internationalen Rechts auf Palästina und erkennt das Judengebilde an. Khomeini, Al-Bashir, Al-Ghannouchi und andere haben schon das Motto des Islam und der Feindschaft zu Amerika hochgehalten und so ihre Akzeptanz im Volk bis zum Himmel erhöhen können. Doch dauerte es nicht lange, bis diese Zustimmung sich ins Gegenteil verkehrte und das Volk seine Akzeptanz zurückzog, als sie ihre Karten offen legten: den Islam wollen sie überhaupt nicht, sie erkennen das internationale Recht an und der Politik der westlichen Kuffar laufen sie hinterher! Deshalb sagen wir all jenen, sie sich von schillernden Slogans und klangvollen Reden blenden lassen: Das Urteil über Personen und ihre Politik gebührt dem Denken, das aus der islamischen Aqida hervorgeht – nicht den Wahlen, Putschen oder dem Einzug ins Parlament. All dies sind nur Äußerlichkeiten, auch wenn die Menschen sich kurzzeitig davon täuschen lassen. Sie können nicht der Maßstab in solchen Fragen sein. Erdogans Politik entlarvt ihre Realität Stück für Stück und deckt auf, wie er sich in den Schoß des Westens wirft, insbesondere Amerikas – gegen die Interessen der Umma und ihre Anliegen.

Quelle: Al-Raya Magazin, 195. Ausgabe, 15.08.2018

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