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H.  12 Shawwal 1441 No: 75
M.  Mittwoch, 03 Juni 2020

Presseverlautbarung

Stellungnahme zu den Mandatsverlängerungen der Bundeswehr in Afghanistan und Mali

Nachdem der Bundestag am 13. März die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan (Resolute Support Mission – RSM) beschlossen hat, stimmten die Abgeordneten am 29. Mai ebenso für die Fortsetzung der Bundeswehrbeteiligung an der „Multidimensionalen Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali“ (MINUSMA) und der „EU-geführten Ausbildungsmission in Mali“ (EUTM). Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik bewegt sich damit weiterhin im Wind­schatten franko-amerikanischer Initiativen, ohne die eigenen Interessen in einer kohärenten Strategie vertreten und eine positive Beziehung zur islamischen Welt gestalten zu können.

Konkret wurde am Freitag, den 13. März 2020, die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan um ein Jahr beschlossen. Der Auftrag der bis zu 1.300 Bundeswehrsoldaten bestehe laut Antrag der Regierung in der Befähigung der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte, die vorrangig auf der ministeriellen und der national-institutionellen Ebene ausgebildet, beraten und unterstützt werden sollen. In der Abstimmung am Freitag, den 29. Mai 2020, beschlossen die Abgeordneten die Fortsetzung der beiden Bundeswehreinsätze in Mali bis zum 31. Mai 2021. Die Mandatsverlängerung der EU-Mission (EUTM) sieht dabei eine Ausweitung des Einsatzgebietes auf Gesamtmali sowie auf alle G5-Sahel-Staaten (Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger und Tschad), eine Truppenerhöhung sowie eine Schwerpunktverlagerung auf die einsatznähere militärische Beratung und Ausbildung vor. Das Ziel der UN-Mission (MINUSMA) bestehe weiterhin darin, dass die malische Regierung mittel- und langfristig Sicherheit auf ihrem Staatsgebiet weitgehend garantieren kann und dass die staatlichen Akteure von der Bevölkerung als glaubwürdig und legitim akzeptiert werden […].

Die Bundesrepublik vertieft damit ihr Engagement in Militäreinsätzen, die gemeinhin als gescheitert gelten. So haben die Vereinigten Staaten durch ihre Vereinbarung mit den Taliban unlängst verdeutlicht, dass die bald 19-jährige Besatzung in dieser Weise nicht aufrechterhalten wird. Nicht zuletzt mit Blick auf den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf deuten die politischen Zeichen in Richtung eines vollständigen Abzugs der US-Truppen aus Afghanistan, so die Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Ungeachtet dessen, ob der Truppenabzug nun vollständig oder größtenteils erfolgt, werden die USA zweifelsohne danach trachten, ihren Hegemonialeinfluss in Afghanistan auch nach Abzug ihrer Truppen zu erhalten. Den deutschen Soldaten wird jedoch nichts anderes übrig bleiben, als das Land gemeinsam mit dem Hauptkontingent ihrer amerikanischen Kameraden zu verlassen, es sei denn, es wird ihnen seitens der Strategen im Weißen Haus eine Rolle für die Zeit nach der Besatzung zugeteilt. Nach Meinung der Experten wird es jedenfalls nicht mehr möglich sein, die RSM in der bisherigen Form aufrechtzuerhalten, sollten die amerikanischen Truppen bis Ende April 2021 tatsächlich aus Afghanistan abziehen. Die Bilanz des Einsatzes ist ernüchternd. So belegen die von der Washington Post veröffentlichten Ergebnispapiere einer regierungsamtlichen Untersuchung des US-Sonderermittlers für Afghanistan (SIGAR), dass mehrere US-Präsidenten sowie der gesamte Apparat, bestehend aus Administration und Streitkräften, ihre strategischen Ziele in Afghanistan verfehlt haben – beim Ziel der sogenannten Terrorbekämpfung ebenso wie beim Aufbau staatlicher Strukturen.

Und auch die Bundeswehreinsätze in Mali stehen unter ähnlich schlechten Vorzeichen. Gleich wie in Afghanistan folgt das deutsche Engagement im Kern der Initiative eines anderen Staates. So schließt die UN-Mission (MINUSMA) an den französischen Militäreinsatz „Opération Serval“ an, während die nun auf die G5-Sahel-Staaten ausgeweitete EU-Mission (EUTM) an den französischen Militäreinsatz „Opération Barkhane“ anknüpft. Beide Missionen ermöglichen Frankreich, seine Einflusssphäre in Nordwestafrika aufrechtzuerhalten – einem Gebiet, in dem weder historisch noch gegenwärtig vitale Interessen Deutschlands verortet wären. Zusätzlich drohen die Mali-Einsätze wie in Afghanistan auf ganzer Linie zu scheitern: Beschränkten sich die Anschläge anfangs auf den Norden Malis, haben sie sich nach und nach ausgeweitet auf die anderen Landesteile und benachbarte Länder, so die aktuelle SWP-Einschätzung. Weder die malischen Streitkräfte noch die französischen Truppen oder MINUSMA waren (und sind) in der Lage, dieser Taktik der Nadelstiche effektiv etwas entgegenzusetzen.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt Hizb-ut-Tahrir den Strategen des Auswärtigen Amtes nachdrücklich, über die Sinnhaftigkeit der gegenwärtigen Bündnisstrukturen und der damit einhergehenden deutschen Außen- und Sicherheitspolitik nachzudenken und sich zu fragen, ob das gegenwärtige Vorgehen wirklich im Interesse Deutschlands liegt. Anstatt als Juniorpartner weiterhin strategischen Interessen anderer Staaten Vorschub zu leisten, sollte Deutschland an sein historisches Verhältnis zur islamischen Welt anknüpfen, um sich für den unausweichlichen Wettbewerb mit seinen geopolitischen Rivalen in Stellung zu bringen. Diese werden im Zuge der Erosion multilateraler Strukturen zunehmend wieder in seiner unmittelbaren Umgebung sowie in Washington und Moskau und nicht etwa im Nahen- und Mittleren Osten zu finden sein. Jede weitere Mandatsverlängerung und Assoziation mit Akteuren, die in der islamischen Welt eine aggressiv-kolonialistische Wirtschafts-, Außen- und Sicherheitspolitik betreiben, verringert den künftigen Handlungsspielraum Deutschlands, ein strategisch positives Verhältnis zur islamischen Welt aufzubauen.   

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