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im deutschsprachigen Raum
H. 16 Jumada II 1441 | No: 1441 / 03 |
M. Montag, 10 Februar 2020 |
Presseverlautbarung
Stellungnahme zu den geplanten Schulgesetzänderungen in Hamburg, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz
Die jüngsten Pläne führender Politiker in Hamburg, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz den Nikab durch Gesetzesänderungen aus deutschen Schulen zu verbannen, ist eine Marginalisierungs- und Entfremdungskampagne, die sich dezidiert gegen das islamische Leben in der Bundesrepublik richtet. Ebenso offenbart dieser Vorstoß eine gefährliche Asymmetrie und ein erhebliches Machtgefälle im Streitfall vor Gericht.
Den Verbotsplänen vorausgegangen war ein Eilantrag einer Mutter, die unter Androhung einer Strafe durch die Schulbehörde ihre 16-jährige Tochter dazu bewegen sollte, den islamischen Gesichtsschleier in der Schule abzulegen. Das Oberverwaltungsgericht Hamburg sah jedoch keine rechtliche Grundlage für ein Verbot und wies die Anordnung der Stadt zurück. Die Schülerin kann für sich [unabhängig von den Erziehungsberechtigten] die vorbehaltlose geschützte Glaubensfreiheit in Anspruch nehmen. Eingriffe in dieses Grundrecht bedürfen einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage. Eine solche sieht das hamburgische Schulgesetz gegenwärtig nicht vor […], so die Feststellung des OVG Hamburg am 03.02.2020.
Dieses Urteil nahm nun der Hamburger Schulsenator Ties Rabe (SPD) zum Anlass, das Schulgesetz zu verschärfen. Wir werden jetzt zügig das Schulgesetz so ändern, dass unmissverständlich eine solche Vollverschleierung verboten ist. Wir bedauern, dass das Gericht unserer Rechtsaufassung nicht gefolgt ist und das Verschleierungsverbot aufgehoben hat […], sagte Rabe nach der Urteilsverkündung. Auch die zweite Bürgermeisterin Hamburgs, Katharina Fegebank (Bündis 90/Die Grünen), äußerte sich zu dem Thema und machte unmissverständlich klar, dass sie die Initiative des Schulsenators unterstützt: Die Burka und der Nikab sind für mich Unterdrückungssymbole. Rabe und Fegebank reihen sich damit in einen überparteilichen Konsens ein, nachdem bereits die Hamburger CDU, FDP und AfD ein Verbot des Gesichtsschleiers im Unterricht gefordert hatten. Kurz darauf gaben auch die Regierungskoalition in Kiel, die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisen (CDU) sowie die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) bekannt, entsprechende Änderungen der jeweiligen Landesschulgesetze durchsetzen zu wollen.
Obwohl sich das Gericht in seiner Entscheidung konkret auf das Grundrecht der Schülerin bezog, scheint die Würdigung des Urteils durch die genannten Politiker und Parteien auszubleiben. Mit der geplanten Gesetzesänderungen wollen sie die Autorität des Gerichts und die Bindungskraft des Urteils aushebeln. Geltendes Recht wird dem Rechtsempfinden und der Willkür des politischen Primats unterworfen und seine Agenda zur normativen Kraft. Gleichzeitig konterkariert dieses Vorgehen die notwendige Parität zwischen den Streitparteien vor Gericht, eine tragende Säule im rechtsstaatlichen Verfahren. Die Bürger müssten sich demnach Gerichtsurteilen fügen, während sich die Politik andere Wege und Mittel suchen kann, um ihren Willen durchzusetzen.
In ihrem obsessiv geführten Kampf gegen die islamische Identität und Lebensweise scheinen deutsche Politiker sogar bereit, den eigenen Rechtsstaat zu opfern. Bereits 2018 warnte der Präsident des Deutschen Anwaltsvereins (DAV): Wir sind in unserem Rechtsstaat nicht nur darauf angewiesen, dass die Bürger sich an Urteile halten, sondern gerade auch die Verwaltung. […] Politik spricht durch Gesetze. Die Justiz spricht durch Urteile. […] Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Statik unseres Rechtsstaates aus dem Lot gerät. Auch Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes (DRB) äußerte sich ähnlich: Zuletzt haben Behörden mehrfach Entscheidungen der Gerichte unterlaufen, etwa im Fall von Wetzlar, im Fall von Sami A. oder im Fall von Dieselfahrverboten. […] Das ist eine sehr bedenkliche Entwicklung. In einem Rechtsstaat sei nicht das Rechtsempfinden eines Bürgermeisters, eines Ministers oder einer vermeintlichen Mehrheit maßgeblich. Damit würde Recht durch Willkür ersetzt, so Rebehn. Obwohl es in den genannten Fällen um die fehlende Umsetzung richterlicher Beschlüsse geht, spiegelt dies einen breiteren und gefährlichen Trend wider. So konstatierte der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP): Ich kann mich täuschen, aber in meinem langen politischen Leben habe ich noch nicht erlebt, dass die Achtung vor Recht und Gesetz durch den Gesetzgeber und die Verwaltung in diesem Maße schwindet. Die nun angekündigten Verschärfungen der jeweiligen Landeschulgesetze stellen im Grunde eine Zuspitzung dieser Verachtung von Recht und Gesetz dar. Denn ohne die Wirkung des OVG-Urteils abzuwarten, ohne juristische Regelungsbedarfe durch entsprechende Expertengremien zu prüfen und ohne anderweitige Gestaltungsmöglichkeiten des Schulunterrichts abzuwägen folgen partei- und landesübergreifende Ankündigungen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu ändern. Eine solche Reaktion kann nur dadurch erklärt werden, dass der politische Primat die gesamte Gesellschaft – und damit auch die richterliche Gewalt – für seinen Kampf gegen die islamische Identität und Lebensweise vereinnahmen möchte. Die Judikative verkommt auf diese Weise zu einem Instrument der Politik, das wie in autoritären Staaten je nach Bedarf eingesetzt werden kann.
Hizb-ut-Tahrir warnt die deutsche Richterschaft eindringlich vor dieser Entwicklung! Die ablehnende Haltung gegenüber dem Urteil des OVG Hamburg sowie die angekündigten Gegenmaßnahmen offenbaren, in welcher Funktion die politischen Entscheidungsträger deutsche Gerichte sehen. Anstatt unabhängig von Parteiprogrammen und Partikularinteressen Recht zu sprechen, sollen sie zum Vollstrecker einer islamfeindlichen Politik werden, in deren Zuge das Vertrauen in die Rechtssicherheit vollständig zu erodieren droht. Vor diesem Hintergrund ruft Hizb-ut-Tahrir die deutsche Richterschaft dazu auf, sich dieser Entwicklung entschlossen entgegenzustellen, um die Würde ihres Amtes zu bewahren und sich nicht für die Umsetzung repressiver Politiken instrumentalisieren zu lassen.
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